Prekäre Finanzlage: Senat stoppt Zahlungen an Jüdische Gemeinde Berlin
Neue Eskalation im belasteten Verhältnis zwischen der Jüdischen Gemeinde Berlin und der Regierung: Der Senat hat die regelmäßigen Geldzahlungen nun gestoppt. Grund seien Unklarheiten über die Verteilung und Bezahlung des Personals.
Angespannt ist das Verhältnis zwischen dem Senat und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin seit Monaten. Nun jedoch haben sich die Konflikte weiter verschärft: Nach Informationen des Tagesspiegels hat der Senat die regelmäßigen Zahlungen an die Gemeinde vorerst gestoppt und die Zuwendungen für das zweite Quartal nicht ausgezahlt.
Der Senat ist nicht zufrieden mit dem Wirtschaftsplan für das laufende Jahr, den der Gemeindevorstand vor einigen Wochen verspätet eingereicht hat. Es fehle der Stellenplan, der Senat könne nicht nachvollziehen, wie viel Personal mit welcher Bezahlung wo eingesetzt werde. Die genaue Anzahl der Stellen ist so wichtig, weil auch davon die Höhe der staatlichen Zuwendungen abhängt. Für die weit über 300 Mitarbeiter in den Schulen, Seniorenheimen und in der Verwaltung wird die Gemeinde vom Land bezuschusst, so ist es in einem Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und der Jüdischen Gemeinde geregelt. Diese erhielt im vergangenen Jahr pro Quartal zwischen 2, 5 und 3,1 Millionen Euro Zuschuss zum laufenden Haushalt, womit aber nicht nur Mitarbeiter unterstützt werden, sondern auch der Religionsunterricht und der Pensionsfonds der Gemeinde. Wegen der fehlenden Auskünfte im Wirtschaftsplan und der dadurch fehlenden Berechnungsgrundlage hat der Senat die Zuwendungen für das zweite Quartal nicht ausgezahlt.
Den Vorwurf, der Wirtschaftsplan sei unzureichend, wies Gideon Joffe, der Vorsitzende der Gemeinde, gegenüber dem Tagesspiegel zurück. „Er enthält alle notwendigen Informationen und erfüllt die gleichen Anforderungen wie die Wirtschaftspläne der letzten Jahre.“ Auch der Personalplan sei „korrekt“ aufgeführt worden. Aus seiner Sicht sehe der Senat deshalb „Abstimmungsbedarf, weil die Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, ihren Solidaritätsbeitrag bezüglich der knappen Kassen Berlins zu leisten“.
Seit zwölf Jahren seien die Mitarbeiter nicht mehr an der Gehaltsentwicklung des Landes beteiligt und würden zehn Prozent weniger bekommen als die Angestellten im öffentlichen Dienst. „Der Vorstand hat den Mitarbeitern jetzt zugesagt, in den kommenden Jahren für eine Gehaltsanpassung an den öffentlichen Dienst einzutreten“, erklärte Joffe. Sonst drohten „vor allem die Lehrer mit Kündigung“. Der Vorstand müsse Maßnahmen ergreifen, „um die Funktionsfähigkeit unserer Einrichtungen zu sichern. Dabei ist er auf die Mithilfe des Landes Berlin angewiesen“. Joffe selbst bezieht ein Jahresgehalt in Höhe von 125 000 Euro. Der Senat kommentiert die Auseinandersetzung offiziell lediglich mit den Worten: „Wir sind im Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde.“ Am Dienstag soll es ein Treffen mit Joffe geben.
Schulden in Millionenhöhe
Die Finanzlage der Gemeinde ist seit langem prekär. Sie hat beim Senat Schulden in Höhe von vier Millionen Euro aufgrund überhöhter Rentenzahlungen an Mitarbeiter. Der Senat behält nach eigenen Angaben ohnehin bereits seit November monatlich 100 000 Euro von den staatsvertraglich zugesicherten Zuwendungen ein, da Joffe und sein Vorstandsteam auch nach mehrmaliger Aufforderung weder ein Sanierungskonzept vorgelegt noch Vorstellungen präsentiert hätten, wie sie die Schulden abtragen wollen. Joffe bestritt Anfang des Jahres, dass es sich um ein einseitiges Einbehalten des Geldes handele, und sagte, die Kürzungen seien einvernehmlich beschlossen worden.
Am 30. April hat es zudem eine Durchsuchung in den Räumen der Gemeinde in der Oranienburger Straße gegeben. Das bestätigte die Polizei dem Tagesspiegel. Sie bestätigte auch, dass es dafür einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss gab. Der Grund für die Durchsuchung nannte aber weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft. Auf dem Blog „Gemeindewatch“, der von drei Mitgliedern des Gemeindeparlaments betrieben wird, die Joffe als Opposition gegenüber stehen, ist von Erpressungsversuchen und Korruptionsvorwürfen gegen einen freien Mitarbeiter zu lesen. Joffe bestätigte, dass gegen einen ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter ermittelt wurde und dass im Rahmen dieser Ermittlungen zwei Computer der Gemeinde beschlagnahmt wurden. Von einer „Hausdurchsuchung“ könne aber keine Rede sein, da die Gemeinde „zu keiner Zeit Gegenstand der Ermittlungen“ gewesen sei.
Unterdessen wird es immer wahrscheinlicher, dass es Ende des Jahres zu einer Neuwahl des Gemeindeparlaments kommt. Die Neuwahl-Initiative, die von Oppositions-Mitgliedern im Gemeindeparlament gestartet wurde, hat nach eigenen Angaben 1500 der 1820 nötigen Unterschriften gesammelt. Zwanzig Prozent der Wahlberechtigten müssen zustimmen, damit die Initiative eine Neuwahl durchsetzen kann. Die Initiative wirft Joffe und seinem Vorstandsteam vor, die Gemeinde „durch dilettantisches, selbstherrliches und undemokratisches Verhalten“ zu ruinieren. Auch prominente Gemeindemitglieder wie Ruth Galinski, die Witwe des früheren Vorsitzenden Heinz Galinski, unterstützen das Neuwahl-Begehren. Maria Brauner, die Frau des Filmproduzenten Artur Brauner, wirft Joffe vor, einseitig die orthodoxen Kräfte zu stärken. Die Jüdische Gemeinde in Berlin ist mit knapp 10 000 Mitgliedern die größte in Deutschland.
Claudia Keller
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