Hohe Mieten in Berlin: Senat eröffnet Tauschbörse für Wohnungen
Mit einer neuen Tauschbörse will der Berliner Senat vor allem Familien zu größeren, bezahlbaren Wohnungen verhelfen. Zu DDR-Zeiten gab es Ähnliches schon einmal.
Wohnungsnot in Berlin? Muss nicht sein. Vielleicht müssten noch nicht einmal massenhaft Wohnungen gebaut werden, um Familien eine bezahlbare Bleibe zu sichern und Menschen mit geringen Einkünften nicht aus den bunten Quartieren der Hauptstadt zu verdrängen. Der Tausch bezahlbarer Wohnungen kann eine Lösung sein: Der Umzug von Eltern, deren Kinder das Haus verlassen haben, in eine kleinere Wohnung. Oder auch der Tausch von Senioren mit jungen Eltern, die sich wegen des Nachwuchses vergrößern müssen.
Genau da will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ansetzen. Bereits im „zweiten Halbjahr 2018“ will die Verwaltung von Katrin Lompscher (Linke) eine Online-Plattform für den Wohnungstausch in Betrieb nehmen und wechselwillige Berliner außerdem mit Umzugsprämien belohnen. „Die Einrichtung einer Wohnungstauschbörse wird derzeit konkret umgesetzt“, sagt Sprecherin Katrin Dietl. Durchgeführt wird das Projekt von der neuen Anstalt öffentlichen Rechts „Wohnraumversorgung Berlin“. Zunächst sollen nur die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften eingebunden werden. Private Eigentümer sollen aber nicht ausgeschlossen werden.
Berliner sollen Wohnraum effizienter nutzen
„Rein rechnerisch könnte Berlin ohne den Bau einer neuen Wohnung seine Wohnungsprobleme lösen“, hatte Martin Burth (SPD), Bezirksverordneter in Charlottenburg-Wilmersdorf, auf der Tagesspiegel-Veranstaltung „Liquid City“ erklärt. Forscher hätten errechnet, dass jeder Berliner eine durchschnittliche Wohnfläche von mehr als 38 Quadratmetern zur Verfügung habe. Das deckt sich mit Angaben im Wohnungsmarktbericht der landeseigenen Förderbank IBB. Verglichen mit London oder mit Paris, deren Bewohner sich mit 22 Quadratmetern begnügen müssen, ist das knapp doppelt so viel. Für Burth ist es „Ressourcenverschwendung“, zumal viele Alleinlebende in großen Wohnungen nur einen Teil der Fläche nutzen, aber auch die „überschüssigen, kaum betretenen Räume“ einrichten, mit Möbeln ausstatten, heizen und beleuchten müssen.
Aus ökologischer Sicht sei das jedenfalls kaum zu verantworten, findet Burth. Mit einem Verlust an Komfort muss der Wechsel aus einer großen Wohnung in eine kleinere nicht einhergehen: „Die Niederländer wohnen auf weniger Fläche pro Person – keineswegs schlechter, sondern durchdachter und effizienter“, sagt Lamia Messaria-Becker, Professorin an der Universität Siegen. Burth fordert eine entsprechende Modellstudie durch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie am Klausenerplatz in Charlottenburg, wo besonders viele Wohnungen in kommunaler Hand sind. Ein Projektantrag liegt vor. Burth will nun, dass der Senat das Projekt finanziert.
Schon in der DDR gab es eine Wohnungstauschbörse
Davon dass Wohnungsnot durch eine gut organisierte Tauschbörse gelindert werden kann, erzählen Bewohner der einstigen „Hauptstadt der DDR“. In den Bezirken gab es damals einen staatlichen „Wohnungstausch-Dienst“. Den nutzten beispielsweise Familien, deren erwachsene Kinder daheim ausziehen wollten. Sie tauschten ihre große Wohnung gegen zwei kleine und überließen eine davon dem aus dem elterlichen Haushalt ausziehenden Kind. Ebenso wurde älteren Menschen geholfen, ein seniorengrechtes Zuhause zu finden, wodurch wiederum größere Wohnungen für Familien frei wurden; Behördengänge und Umzüge wurden vom Tauschdienst organisiert. Geld als Anlass fürs Umziehen spielte angesichts des allgemein niedrigen Mietniveaus allerdings nicht die Hauptrolle.
Den neuerlichen Vorstoß des Senats begrüßt Berlins größter Wohnungsverband BBU, der auch die landeseigenen Firmen vertritt: „Der BBU befürwortet den Wohnungstausch“, sagt der Bevollmächtigte David Eberhart. Allerdings habe die Erfahrung gezeigt, „dass insbesondere ältere Menschen offenbar nicht mehr so gerne umziehen“, was nachvollziehbar sei. Eine Wohnungstauschbörse gebe es bei den Städtischen schon seit Längerem. Und bereits vor Einführung der neuen Tauschbörse im Internet haben 195 Berliner nach Angaben des Senats im Jahr 2016 ihre Wohnung getauscht – ein gutes Dutzend mehr als im Jahr zuvor.
Berliner sollen zum Wohnungstausch motiviert werden
Durch den Aufbau der Online-Börse sollen deutlich mehr Berliner zum Wohnungstausch motiviert werden. Das neue Werkzeug soll unter der Adresse www.inberlinwohnen.de zu finden sein, sobald es in Betrieb geht. Mieter mit geringen Einkünften bekommen „Beihilfen“ für den Umzug: 2500 Euro maximal. Wer allein wohnt, erhält 1500 Euro; 500 Euro zusätzlich gibt es für jeden weiteren im Haushalt lebenden Mieter.