Streit um Gasnetzvergabe in Berlin: Senat bremst Kartellamt und Landgericht aus
Details zur umstrittenen Vergabe des Gasnetzes an eine Landesfirma erklärt die Finanzverwaltung zur geheimen Verschlusssache. Auch ein Urteil des Landgerichts will man verhindern. Das Bundeskartellamt ist verärgert, weil das die Prüfung des Deals verzögert.
In der Affäre um die umstrittene Vergabe des Berliner Gasnetzes an den Landesbetrieb „Berlin Energie“ bremst die Senatsverwaltung für Finanzen das Bundeskartellamt und das Berliner Landgericht aus. Zwar hat das von Ulrich Nußbaum geführte Haus den Wettbewerbshütern die Akten übergeben, die eine Überprüfung der auch senatsintern umstrittenen Vergabe ermöglichen sollen. Doch ein Teil der Dokumente stufte die Berliner Finanzverwaltung als „Verschlusssache“ ein. Das hat zur Folge, dass die Vergabeentscheidung nun erheblich in die Länge gezogen wird.
Ein beispielloser Vorgang ist das aus Sicht des Bundeskartellamtes. Präsident Andreas Mundt sagte auf Anfrage des Tagesspiegels: „Das ist völlig unüblich und auch in den Verfahren mit anderen Kommunen noch nie vorgekommen.“ Die Bonner Wettbewerbshüter hätten „tagtäglich mit Geschäftsgeheimnissen zu tun – und selbstverständlich werden diese auch geschützt und nicht nach außen gegeben“. Eine Klassifizierung von Dokumenten als Verschlusssache sei völlig unnötig und verschleppe die Prüfung nur unnötig, denn „in diesem speziellen Fall ist nun ausnahmsweise eine Sicherheitsüberprüfung der untersuchenden Beamten erforderlich“.
Senat verteidigt das Vorgehen
Allein diese Überprüfung kann Monate dauern, zumal durch die VS-Klassifizierung ein Gesetz greift, das die nächsten Schritte penibel regelt. Demnach sieht bereits eine „einfache Sicherheitsüberprüfung“ vor, dass der Betroffene detaillierte Angaben zur eigenen Person macht, zu Verwandtschafts- und Lebensverhältnissen, zu Ausbildungsstationen und möglichen Konflikten mit dem Gesetz. Anschließend werden diese Angaben überprüft anhand von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes sowie der Länder. Außerdem wird eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister über den Betroffenen eingeholt und auch Anfragen beim Bundeskriminalamt, beim Bundespolizeipräsidium, beim Nachrichtendienst des Bundes und bei der Staatsanwaltschaft gestartet.
Die Senatsverwaltung für Finanzen verteidigte ihr Vorgehen: „Es ist zwischen Behörden üblich, Dokumente, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, als Verschlusssache zu übermitteln“, teilte eine Sprecherin mit. Die „Länge des Postwegs“ bleibe davon unberührt und nehme zwischen Berlin und Bonn „circa vier Stunden in Anspruch“. Im Übrigen sei „senatsseitig das Verfahren Gas im Juni abgeschlossen worden“. Dieses liege nun beim Bundeskartellamt, beim Abgeordnetenhaus sowie beim Berliner Landgericht.
Wobei die Finanzverwaltung keineswegs den Dingen einfach ihren Lauf lässt: Im Rechtsstreit vor dem Landgericht mit dem gegenwärtigen Besitzer des Berliner Gasnetzes, der im Bieterverfahren unterlegenen Gasag, setzen die Anwälte der Verwaltung alle Hebel in Bewegung, um die für den 9. Dezember anberaumte mündliche Verhandlung zunächst zu verhindern. Mit einer „Beschwerde“ zweifeln sie im Namen des Landes Berlin die Zuständigkeit des Gerichts an und fordern eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.
Es könnten Monate vergehen
Das Landgericht wies diese Beschwerde zwar zurück. Nun geht es aber erst mal in die nächste Instanz. „Somit muss vor dem weiteren Fortgang des Verfahrens vor dem Landgericht zunächst die Entscheidung des Kammergerichts abgewartet werden“, sagt Gerichtssprecherin Annette Gabriel. Bei einer Niederlage will die Finanzverwaltung auch noch vor den Bundesgerichtshof ziehen. Das beantragte sie beim Kammergericht. So könnten Monate vergehen.
Unter diesen Bedingungen wird es für die Abgeordneten im Berliner Parlament allerdings sehr schwer, die Folgen ihres Votums für die von der Senatsverwaltung für Finanzen vorgeschlagene „Gaskonzessionierung“ zugunsten der landeseigenen Berlin Energie vollständig zu übersehen. Eine entsprechende Vorlage wurde bereits in das Parlament eingebracht. Gut möglich, dass diese Vorlage zur Abstimmung gebracht wird, noch bevor das Bundeskartellamt und das Landgericht die verfahrenstechnischen Hürden beseitigt haben, die ihnen in den Weg gestellt wurden.
Die Senatsverwaltung für Finanzen will von einer Verzögerungstaktik nichts wissen und sieht das Problem keineswegs bei sich, sondern bei den Wettbewerbshütern: Es habe „gut sechs Wochen gedauert, bis das Bundeskartellamt mitgeteilt hat, welche Unterlagen genau und in welchem Umfang übermittelt werden sollen“. Und weiter: „Selbstverständlich arbeiten wir kooperativ mit dem Bundeskartellamt zusammen.“
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