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Die Unternehmerin und Autorin Catharina Bruns.
© promo

Gründerkultur in Deutschland: "Selbstständige werden in der öffentlichen Debatte oft vergessen"

Selbstständige und Freie leiden unter schwierigen Rahmenbedingungen und teils unfairen Belastungen, warnt Unternehmerin Catharina Bruns im Interview.

Berlin feiert diese Woche die „Gründerwoche“ – ist die Stadt auch ein guter Ort für Selbstständige?

Berlin ist vielleicht die Stadt der Start-up-Gründer, die machen aber nur einen bestimmten Typus von Gründern aus und sind zudem eher selten weiblich. Selbstständige, Freie und Freiberufler und alle, die zum Beispiel im kreativen oder IT-Bereich arbeiten und mit eigenem Geld und Risiko arbeiten, haben indes mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen und werden in der öffentlichen Debatte häufig vergessen. Dabei sind es besonders diese Gründerinnen und Gründer, die zu einer lebendigeren Gründungskultur beitragen können, denen der Aufstieg aus eigener Kraft aber erschwert wird.

Vor welchen Herausforderungen stehen diese Berliner Freiberufler denn?
Das kommt sehr auf die Branche an und nicht alle Selbstständigen sind Freiberufler. Aber besonders Freelancer leiden massiv unter den unscharfen Regelungen zur Scheinselbstständigkeit, die berechtigterweise vor Missbrauch schützen sollen, aber auch alle, die selbstbestimmt arbeiten wollen und länger für einen Auftraggeber arbeiten, etwa an IT-Projekten, betreffen. Einige Firmen haben wegen Rechtsunsicherheit die Vergabe an Freelancer gänzlich gestoppt – ein fataler Schritt. Hier muss dringend nachgebessert werden, damit Politik freie Arbeitsmodelle und Wissensarbeit nicht verhindert. Auch das gesetzliche Sozialversicherungssystem ist nicht für Selbstständige gemacht – das betrifft natürlich nicht nur Selbstständige in Berlin, sondern bundesweit.

Hat die Hauptstadt denn auch Vorteile für Selbstständige?
Ja, Berlin macht Spaß. Es gibt eine kreative und internationale Freelancer-Szene und viel neues Unternehmertum. Dazu viele interessante Community-Angebote – man hilft sich gegenseitig. Die Stadt bietet viele Anlaufstellen für Gründungsinteressierte und hat natürlich auch eine lebhafte Kunst- und Kulturszene, in der freie Arbeitsmodelle schon lange Normalität sind. Spannend ist auch die Entwicklung im Hinblick auf Social Entrepreneurship – da passiert gerade sehr viel in der Hauptstadt.

Die von Ihnen mitgegründete „Kontist Stiftung“ will Selbstständige fördern. Welche konkreten Angebote machen Sie ihnen?
Unser Ziel ist es, die unternehmerische Kultur im Land zu fördern und Selbstständige in ihrem gesellschaftlichen Standing zu stärken. Wir bauen dabei im Wesentlichen auf drei Säulen: Community, Entrepreneurship Education und Lobby-Stärkung. Wir möchten der sehr heterogenen Gruppe von Freiberuflern, Selbstständigen und Entrepreneuren, die abseits der Start-up-Szene gründen, wertvolle Angebote machen, die Gelegenheit geben sich zu vernetzen und sie befähigen. Wir bieten zum Beispiel ein Mentoringprogramm für Gründer und Selbstständige in ganz verschiedenen Phasen der Selbstständigkeit an. Auch Brücken zur Politik zu bauen ist uns wichtig, denn besonders diese Gruppe von Selbstständigen und Freien leidet unter schwierigen Rahmenbedingungen und teils unfairen Belastungen. Dies wiederum führt dazu, dass nur bestimmte Gründertypen sich die unternehmerische Arbeit zutrauen und viele die Selbstständigkeit für sich ausschließen. Daher ist auch eines der größeren Stiftungsziele, dass ökonomische Bildung im Sinne des Entrepreneurships in das Bildungssystem integriert wird.

Kommende Woche veranstaltet die Stiftung erstmals in der Hauptstadt den „Selbstständigentag“. Um was geht es dort?
Für Selbstständige ist es sehr wichtig zu netzwerken, neue Impulse zu bekommen aber auch zu zeigen, dass wir eine gesellschaftlich wichtige Gruppe sind. Darum veranstalten wir den Aktionstag, eine Konferenz für alle, die frei, selbstständig und anders arbeiten wollen. Wir haben tolle Redner dabei, die allesamt Beispiele für neues unternehmerisches Arbeiten sind, es gibt verschiedene Workshop-Sessions und auch ein politisches Panel. Wir möchten eine spannende Konferenz etablieren, die Spaß macht und bei der man nicht nur ganz viel für den eigenen unternehmerischen Erfolg mitnehmen, sondern auch die die richtigen Kontakte machen kann.

Catharina Bruns ist Unternehmerin und Buchautorin. Sie ist Mitgründerin von „Happy New Monday“, einem Studio für Unternehmensentwicklung. Der Selbstständigentag 2019 findet am 28. November von 9 bis 19.30 Uhr statt im „Spreespeicher“, Stralauer Allee 2, 10245 Berlin (Friedrichshain). Im Anschluss gibt es eine kleine Weihnachtsparty. Tickets und Infos unter www.kontist-stiftung.com/selbststaendigentag

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