Berlin: Schulverweis für Gewaltverherrlichung
Neuköllner Schule verhängt Strafen nach Beifall für „Ehrenmord“. Diskussion mit Politikern in der Aula
Einem der drei Schüler der Neuköllner Thomas-Morus-Oberschule, die den „Ehrenmord“ an der 23-jährigen Hatan Sürücü gutgeheißen hatten, droht der Schulverweis. Die beiden anderen dürfen unter Auflagen bleiben. Das wurde in Klassenkonferenzen beschlossen, teilte die Schule mit. Ein Schüler erhält die Auflage, Opfer familiärer Gewalt zu treffen und darüber ein Referat zu halten. Der zweite Schüler soll seine Haltung vor der „Schulöffentlichkeit“ klarstellen. Der Schüler, dem der Verweis droht, muss sich für seine „diskriminierenden“ und „sexistischen“ Äußerungen entschuldigen.
Das Vorgehen des Kollegiums habe seine volle Unterstützung, erklärte Schulsenator Klaus Böger am Montagabend bei einer Diskussion in der Aula der Schule. Die Veranstaltung fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Polizeiaufgebot sei eine einmalige Vorkehrung zum Schutz vor Störern, erklärte Schulleiter Volker Steffens. Der Alltag an der Schule habe sich nach dem Abzug der Fernsehkameras wieder normalisiert.
Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, und Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky waren gekommen, um darüber zu sprechen, warum die Integration bei vielen arabischen und türkischen Familien in Deutschland gescheitert ist.
Während Böger und Beck in gesetzter Diplomatensprache die Lage als schwierig bis aussichtslos charakterisierten, fand Buschkowsky deutliche Worte: „Wir kämpfen gegen ein Bollwerk von Menschen, die in ein Land gekommen sind, ohne es wirklich zu wollen. Integration braucht Druck, sonst kann es passieren, dass sich eine Gesellschaft zu Tode liberalisiert.“ Buschkowsky will das Kindergeld streichen, wenn Familien sich abschotten, ihre Kinder nicht in die Kita schicken und Sprachkurse ablehnen. „Keine Leistung ohne Gegenleistung.“ Der Schulsenator setzt andere Akzente: bessere Kitas, mehr Sprachkurse für Eltern, mehr Personal an Schulen in Problemkiezen. Einiges davon sei schon auf gutem Weg. Auch eine Reihenuntersuchung zum Entwicklungsstand von Kindern nach dem vierten Geburtstag sei vorstellbar. Der Staat müsse mehr in die Erziehung eingreifen.
Marieluise Beck benutzte einen Begriff, der früher auf dem Index der Political Correctness stand: Unterschichten. Die angeworbenen Arbeiter aus Anatolien entstammten der bildungsfernen Landbevölkerung, der sozialen Unterschicht, die schwer integrierbar sei in eine liberale Großstadtgesellschaft. Die „Unterschichtenkinder“ träfen auf eine „Generation erschöpfter Lehrer“, was die Sache zusätzlich erschwere. „Wir müssen die Ächtung von Gewalt deutlicher akzentuieren“, forderte Schulleiter Steffens. Er wünscht sich eine Anti-Gewalt-Kampagne, gesponsert von großen Unternehmen, unterstützt von Prominenten und Künstlern. Je mehr sich daran beteiligten, desto besser. Mit Aktionismus, so der Schulleiter, sei wenig auszurichten.
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