Berlin: Schulfrei wegen Amokdrohung
Zwei Tage fiel der Unterricht am Zehlendorfer Schadow-Gymnasium aus. Polizei sucht Täter im Internet
Leere Gänge, verlassene Klassenzimmer und ein verwaister Schulhof: Das Zehlendorfer Schadow-Gymnasium befand sich am Montag und Dienstag im Ausnahmezustand. Wo sonst 950 Schüler und 75 Lehrer ein- und ausgehen, herrschte zwei Tage lang gespenstische Stille, nachdem im Internet mit einem Amoklauf gedroht worden war. Am Mittwoch wollte die Schule versuchen, wieder den regulären Betrieb aufzunehmen. Unterdessen gab es eine weitere Amokdrohung am Weißenseer Primo-Levi-Gymnasium, die jedoch wesentlich harmloser formuliert war als die Zehlendorfer. Beide Drohungen waren auf der umstrittenen Internetseite iShareGossip.com zu lesen.
Mit der Ruhe am angesehenen altsprachlichen Schadow-Gymnasium war es bereits am Sonntagabend vorbei, als Schüler gegen 19 Uhr folgenden Eintrag fanden: „Ich werde am 14.3. oder 15.3. einen Amoklauf an der Schadow-Schule begehen. Dies ist definitiv kein Scherz oder eine leere Drohung, meine Handlung ist symbolisch und der Hass gilt der Schule. Ich bin keinesfalls gewillt, jemanden umzubringen, also bringt Euch in Sicherheit“, hieß es da. Kaum war diese Botschaft ins Netz gestellt, da hatte das Bedrohungsszenarium über das soziale Netzwerk Facebook die gesamte Schülerschaft erreicht. In der Folge kam am Montag nur etwa jeder zehnte Schüler zur Schule, sodass kein Unterricht stattfinden konnte.
Da die Polizei die Drohung als nicht ernsthaft einstufte, sollte am Dienstag der Schulbetrieb weitergehen. Da tauchte am Montagabend ein neuer Eintrag bei iShareGossip.com auf. Diesmal war die Wortwahl völlig anders, so dass eine identische Urheberschaft bezweifelt wird: „Ich bring die Uzi mit, ich bring die Freunde um, ich bin der Bernd und geh’ jetzt grilln, Mit ’ner Granate in der Kralle lock’ ich alle in die Falle, Lehrer und Freunde grilln ist alles, was ich will“, hieß es da.
Die Polizei stufte auch diesen Eintrag als nicht ernsthaft ein – doch kam diese Einschätzung Dienstag früh um 7.15 Uhr. „Solange konnte ich nicht warten“, sagt Schulleiter Harald Mier. Um kein Risiko einzugehen, hatte er schon vorher über die Gesamtelternvertretung verbreiten lassen, dass kein Unterricht stattfindet.
„Der Schulleiter hat vorbildlich gehandelt,“ betonte die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers. Auch dass er den schulpsychologischen Dienst und die Polizei eingeschaltet habe, entspreche dem Notfallplan. Laut Stoffers gab es dieses Schuljahr bereits 33 Amokdrohungen an Schulen. In der Folge des Amoklaufs von Winnenden 2009 hatte sich die Zahl der Drohungen von 46 im Jahr zuvor auf 63 im Schuljahr 2009/2010 gesteigert. Auch aktuell lägen wieder einige Drohungen auf dem Tisch, so Stoffers. Meist werden sie allerdings als harmlos eingestuft, so dass kein Unterricht ausfällt – wie im jüngsten Fall des Weißenseer Primo-Levi- Gymnasiums, wie Schulleiter Jürgen Kausche auf Anfrage bestätigte.
Auch Harald Mier hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, ob seine Schüler zu Hause bleiben sollten. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Polizei mir schriftlich bestätigt, dass keine Gefahrensituation vorliegt“, sagte Mier am Dienstag. „Denn das hätte die Eltern beruhigt“. Die Polizei wollte dieser Bitte aber nicht Folge leisten und verwies auf die ausführlichen Gespräche, die es mit der Schule gegeben habe. Am Mittwochmorgen wollte sie in der Schule Präsenz zeigen, um noch vorhandenen Sorgen und Ängsten zu begegnen. Im Übrigen bestätigte die Polizei, dass Ermittlungsverfahren laufen. Ein Sprecher sagte, es sei „Quatsch“, wenn die Betreiber der Internetseite iShareGossip.com behaupteten, dass die Nutzer der Seite anonym bleiben könnten. Es gebe sehr wohl Wege, die Urheber von Einträgen zu finden. Da der Server der Seite im Ausland stehe, sei dies aber schwierig.
Wie berichtet, ist die Seite führend beim Cybermobbing, also der Verunglimpfung und Diffamierung von Schülern und Lehrern. Durch eine Aufschlüsselung nach Landkreisen kann dort jeder seine Schule finden oder über die Administratoren selbst eine Schule einstellen und eine Diskussion moderieren. Die meisten Beiträge entbehren jeglichen Niveaus.
Tanja Buntrock, Susanne Vieth-Entus
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