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Die Firma bot einen Komplettservice für Abi-Feiern an. Der nun entstandene Schaden soll sich auf mindestens 150.000 Euro belaufen.
© Thilo Rückeis
Update

"Easy Abi": Schüler und Eltern wehren sich gegen Abiball-Betrug

Immer mehr Anzeigen gehen bei der Polizei gegen die Eventagentur "Easy Abi" ein; die Schadenssumme steigt. Über die Hintergründe tappt die Polizei aber noch im Dunkeln.

"Es ist ja wohl das Allerletzte, den wohl schönsten Abend eines jeden Abiturienten zu zerstören! Ich hoffe, ihr könnt nachts nicht mehr schlafen und erstickt am Geld!" Schülerin Josefine Biseke aus Berlin ist mehr als wütend. Auf Facebook macht sie gemeinsam mit vielen anderen Berliner Abiturienten ihrem Ärger Luft. Der Grund: Ihre Abitur-Bälle fallen aus, nachdem sich die Betreiber der Eventagentur "Easy Abi" mit ihrem Geld abgesetzt haben. Die Firma bot bislang einen Komplettservice für Abiturienten an – von der Organisation des Balls inklusive Musik, Essen und Unterhaltungsprogramm bis hin zu Reisen.

Bei der Polizei gehen derweil immer neue Anzeigen ein. Derzeit zähle die Behörde 24 Berliner und vier Brandenburger Schulen mit insgesamt mehreren Tausend Schülern, die von dem Betrug betroffen sein sollen. "Wir gehen davon aus, dass es deutlich mehr werden und die Zahlen steigen werden", sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Seit Dienstag kursiert die Zahl von über 40 Schulen im Netz. Auch der Schaden, der sich bislang auf circa 250.000 Euro belaufen soll, werde wahrscheinlich höher ausfallen, sagte der Sprecher

Summen zwischen sechs und 16 000 Euro pro Schule

Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen gegen die Geschäftsführer aufgenommen. Vor etwa einem Monat habe es einen Besitzerwechsel in der Firma gegeben, sagte Anwalt Karun Dutta, der in diesem Fall derzeit 16 Oberschulen und Gymnasien vertritt. Dazu zählen unter anderem das Schillergymnasium in Potsdam, das Arndt-Gymnasium in Dahlem und das Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Neukölln. Sie alle hätten „Easy Abi“ zwischen 6000 und 16.000 Euro überwiesen.

"Die Firma ist angeblich vor etwa sieben Wochen von den zwei ehemaligen Eigentümern an zwei neue verkauft worden“, sagte der Anwalt. Laut Handelsregister sei Karl Heinz R. mit einer Einlage von 25.150 Euro im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragen. Der Vorbesitzer David H. habe im vorigen Monat die Geschäftsführung an den 64-jährigen Rainer S. abgegeben. Nach Tagesspiegel-Informationen sind Karl Heinz R. und Rainer S. dem LKA als Straftäter im Bereich der Wirtschaftskriminalität bekannt, wie ein Ermittler sagte. Zu dem vorherigen Chefs des Unternehmens, David H. und Marcel L. machte die Polizei keine Angaben.

Der ehemalige Besitzer meldet sich auf Facebook zu Wort

Am Mittwochmittag veröffentlichte David H. eine Stellungnahme auf Facebook, in der er erklärte, dass er das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen Anfang Mai verkauft habe. "Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich vollen Einblick und kann daher sagen, dass sämtliche gebuchten Abibälle und Abireisen von der Easy Abi GmbH hätten durchgeführt werden können. Warum die aktuelle Geschäftsführung so handelt, wie sie gerade handelt, entzieht sich meiner Kenntnis", heißt es dort.

Nach dem Verkauf sei er als externer Dienstleister tätig gewesen sei, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Dabei habe er sich insbesondere um die Organisation der Abibälle gekümmert. In der vergangenen Woche hätten ihm dann verschiedene gebuchte Locations mitgeteilt, dass sie von der Easy Abi GmbH trotz Erinnerung noch kein Geld bekommen hätten. Am Freitag habe er dann von der Absage der Abibälle erfahren, seine Arbeit endgültig niedergelegt und sei deshalb auch nicht auf dem Firmenhandy oder per Mail erreichbar. "Da ich seit sechs Wochen nicht mehr Teilinhaber der Firma und auch kein Geschäftsführer mehr bin, kann ich, so weh es mir im Herzen tut, die Situation leider für alle Betroffenen nicht verbessern."

Unklar ist, wer lügt

Am Freitag sei der neue Geschäftsführer Rainer S. ins Büro gekommen und habe den Mitarbeitern mitgeteilt, dass die Abibälle ausfielen und keine weitere Erklärung abgegeben, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. "Es ist traurig, dass das jetzt alles an uns Mitarbeitern hängen bleibt, die wir überhaupt nichts dafür können." Rainer S. sagte am Mittwoch gegenüber dem Tagesspiegel, dass er am Freitag die Geschäftsführung von Easy Abi niedergelegt habe und kein Inhaber gewesen zu sein. Sein Partner Karl-Heinz R. habe die Firma für 400.000 Euro von den Vorbesitzern David H. und Marcel L. gekauft und ihn als Geschäftsführer eingesetzt. 360.000 Euro seien den beiden Verkäufern schon überwiesen worden, behauptet S. Dann habe er aber schnell gemerkt, dass „in der Buchhaltung etwas nicht in Ordnung ist“ und sein Amt niedergelegt. Der Kaufvertrag mit den früheren Besitzern von Easy Abi sei rückgängig gemacht worden. S. und sein Partner stellten den Männern ein Ultimatum bis Mittwoch, um das Geld zurückzuzahlen. Zu den konkreten Vorwürfen und dem Verbleib des Geldes, um das die Schüler betrogen wurden, wollte sich S. nicht äußern. Er wolle erst mit seiner Anwältin sprechen. Sein Geschäftspartner war telefonisch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Das LKA prüft derzeit, ob die Behauptung von Rainer S., nichts mit dem Betrug zu tun zu haben, den Tatsachen entspricht. Die Ermittlungen seien sehr umfangreich. So müssten Handelsregister-Auszüge gesichtet und Konten-Staffeln eingeholt werden. Was heißt, dass Belege untersucht werden müssen, die aufzeigen, welche Beträge wo eingegangen und wohin weitergeleitet worden sind. Dies sei eine extrem aufwendige Arbeit, insbesondere, wenn möglicherweise noch die Banken gewechselt worden waren, erklärt Neuendorf. "Wir haben Konten vorläufig eingefroren", fügte er hinzu.

Warum es immer mehr Schulen werden, lesen Sie auf der nächsten Seite

"Ich glaube, die arbeiten in einem Schneeballsystem. Das sind Wirtschafskriminelle im Nadelstreifenanzug", sagte Anwalt Dutta. Seiner Information nach habe Karl-Heinz R. kürzlich noch in einer Villa in Grunewald gewohnt. Das Unternehmen selbst habe einen kleinen Mitarbeiterstamm aus jungen Angestellten und Azubis gehabt, die den direkten Kontakt zu den Abiturienten gepflegt hätten.

24 unbeantwortete Anfragen von Schulen habe Dutta noch in seinem Posteingang. Dass er sich für die Schüler einsetzt, hat sich wie ein Lauffeuer über Facebook verbreitet. Seine erste Mandantin sei die Nichte einer Bekannten gewesen, die sich mit ihm in Verbindung gesetzt habe. Die Schülerin des Max-Planck-Gymnasium habe mit ihren Mitschülern am 18. Juni im Maritim-Hotel in der Friedrichstraße feiern wollen. 19.000 Euro seien an die Eventagentur überwiesen worden. Der Betrug sei ans Licht gekommen, da sich die Schüler persönlich im Büro nach den Details ihrer Veranstaltung hätten erkundigen wollen und niemanden angetroffen hätten. Im Maritim-Hotel hätten sie dann erfahren, dass keinerlei Zahlungen oder Reservierungen eingegangen seien. "Ich hatte weinende Schüler am Apparat. Hinzu kommt, dass nicht alle Eltern verständnisvoll und kooperativ sind", sagte Dutta. Einige machten jetzt Druck auf diejenigen Schüler, die die Konten geführt hätten. Schulleiter am Eckener-Gymnasium in Mariendorf, Anselm Salinger tut es leid, was gerade vor allem auch zwischenmenschlich passiert. „Da wird das große Event, auf dass sie sich so lange gefreut haben, plötzlich zur Fata Morgana. Und die Familien sind ja mit betroffen, bei vielen sitzt das Geld ja nicht so locker in der Tasche. Wir schauen jetzt, ob wir eine schulinterne Lösung finden."

Schulen, Schüler und Eltern werden aktiv

Auch auf Facebook wird über mögliche Aktionen gegen die Geschäftsführer diskutiert und gerätselt, wie die Schüler das verlorene Geld zurückbekommen könnten. Vermehrt melden sich auf Facebook auch andere Abiball-Anbieter zu Wort, die mit günstigen Angeboten werben. Der Cascade und Cosmopolitan Club beispielsweise bieten seinen Laden und kostenlosen Eintritt für Abiturientengruppen an. Auch die Abiturienten der Albert-Einstein-Oberschule in Britz haben umgesattelt. Statt wie geplant im Holiday Inn in Spandau wird jetzt in einem Club in Hellersdorf gefeiert. „Manche Schüler haben sehr viel Geld verloren. Fünfzig Euro kostete eine Karte. Ein Freund von mir hat acht Karten bestellt, der hat jetzt 400 Euro verloren. Auch für Sevgi Yasar und ihre Mitschüler vom Max-Planck-Gymnasium in Mitte ist der Traum vom Abiball nicht ganz geplatzt. "Wir haben einen Sponsor gefunden und das Maritim Hotel hat uns auch günstigere Konditionen angeboten. Pro Karte müssen wir jetzt allerdings noch einmal 20 Euro zahlen." Doch damit hätten sich die Mitschüler auf einer Vollversammlung bereits einverstanden erklärt.

Wie am Max-Planck Gymnasium haben sich an anderen Schulen in der Zwischenzeit Komitees gebildet. Sie haben sich am Mittwoch mehrmals vor dem Büro von "Easy Abi" postierten. „Bei uns geht es um 30 000 Euro, die an den Reiseveranstalter Rainbowtours geflossen sind“, sagte der Vater einer Schülerin der John-F.-Kennedy-Schule in Steglitz-Zehlendorf.

Rechtsanwalt Dutta rät allen Betroffenen, Strafanzeige gegen die Firma und die beiden Geschäftsführer zu stellen. Eine Sammelklage sei jedoch nicht möglich, jedoch sei er gerade dabei pro Schule einen Musterfall für all diejenigen anzulegen, die die  Konten für die Überweisungen geführt hätten. „Es ist ein schwieriger Fall, aber ich hoffe, die Inhaber wegen schweren gewerblichen Betrugs haftbar zu machen“, sagte Dutta. Die Polizei ist sich unterdessen sicher, dass  ein Verantwortlicher ermittelt werden könne. Allerdings gehe das nicht auf die Schnelle, "denn wir müssen beweissicher ermitteln", erklärte Sprecher Neuendorf. Nicht so zuversichtlich seien die Beamten jedoch, dass das veruntreute Geld auch wieder beschafft werden kann. "Da können wir momentan nicht so groß Hoffnung machen", hieß es.

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