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Berliner Ausbildungsmarkt: Schüler sucht Lehrstelle, Lehrstelle sucht Schüler

Hunderte sind noch ohne Ausbildungsplatz. Die IHK will das ändern – und ärgert sich über zu viele Warteschleifen und faule Jugendliche, die nicht zur Last-Minute-Börse kommen.

Frieda Pahl ist acht Jahre alt. Dennoch saß sie am Mittwoch nicht in der Schule, sondern im Ludwig-Erhard-Haus, wo ihr Vater aktuelle Zahlen zum Berliner Ausbildungsmarkt vorlegte: „Die Schulheizung ist kaputt, also habe ich meine Tochter einfach mitgenommen“, berichtete IHK-Ausbildungschef Thilo Pahl, bevor er die Bemühungen der IHK beschrieb, mehr Schüler in Lehrstellen zu vermitteln. Dabei gab es dann Kritik am Senat. Allerdings nicht wegen der maroden Schulen, sondern wegen der vielen „Warteschleifen“, die den Schulabsolventen statt Ausbildung geboten werden.

684 unbesetzte Ausbildungsplätze

„Mit einer Machete müsste man einen Pfad durch den Maßnahmedschungel schlagen“, findet IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Er wies darauf hin, dass aktuell rund 2000 Jugendliche an Oberstufenzentren untergebracht sind, wo sie an berufsqualifizierenden Lehrgängen teilnehmen. Weitere 2500 Schüler versuchten in den einjährigen Fachschulen, den Mittleren Schulabschluss nachzuholen.

Rund die Hälfte von ihnen, so schätzt Eder, wären in der Lage gewesen, ohne diese Umwege sofort eine duale Ausbildung zu absolvieren. Stattdessen gebe es 684 unbesetzte Ausbildungsplätze.

Um auch leistungsschwächeren Jugendlichen zu einer Ausbildung zu verhelfen, bemüht sich die IHK zusammen mit der Handwerkskammer, den Unternehmensverbänden und dem Verband der Freien Berufe Verbünde von mehreren Betrieben zu schaffen, die sich die Ausbildung dieser Schüler teilen. Finanziert wird diese Verbundberatung durch die Senatsverwaltung für Arbeit.

Die demographische Falle schnappt zu

Eder geht davon aus, dass die „demografische Falle“ schon jetzt zugeschnappt ist. Zwar gebe es auf dem Papier noch 1500 unversorgte Bewerber. Dieser Zahl misstraut der IHK-Hauptgeschäftsführer aber. Denn hinter ihr würden sich auch Jugendliche verbergen, die dem Ausbildungsmarkt gar nicht zur Verfügung stünden, weil sie sich etwa für ein Studium entschieden hätten. Eder forderte konsequente Sanktionen gegen Jugendliche, die trotz Einladung nicht zur Jobbörse kämen und stattdessen Hartz IV beantragten. Laut IHK waren im September 2013 von 3800 Eingeladenen nur 640 zur Last-Minute-Börse erschienen.

Jugendliche werden wie Erwachsene bestraft

Der bildungspolitische Sprecher der Piraten, Martin Delius, hält nichts von Sanktionen. Vielmehr müsse man „Schüler motivieren, mehr aus ihrem Leben zu machen“. Schon jetzt würden Jugendliche häufiger als Erwachsene bestraft, wenn sie Angebote des Arbeitsamtes nicht annähmen. Einig ist sich Martin Delius mit der IHK und der grünen Bildungsexpertin Stefanie Remlinger in der Befürwortung einer Jugendberufsagentur, wie sie vom Senat jetzt angekündigt wurde. Remlinger appelliert überdies an den Senat, in den Schulen noch mehr für das Duale Lernen zu werben. Es dürfe sich nicht in Besuchen von Betrieben oder Berufsorientierungsmessen erschöpfen, sondern sich enger an den Interessen der Jugendlichen orientieren.

Einhellig kritisiert wurde am Mittwoch vonseiten der Opposition und der IHK, dass die Reform der Berufsschulen stagniert. „Die Effizienz der beruflichen Schulen muss gesteigert werden“, findet Remlinger. Grüne und IHK fordern ebenso wie die Vereinigung der Berufsschulleiter die Gründung eines Landesinstituts für berufliche Bildung. Die Bildungsverwaltung verweist seit Monaten auf eine „ergebnisoffene Diskussion“.

Die IHK hat unter der Telefonnummer 31510-165 eine Ausbildungs-Telefonnummer für Unternehmen mit Besetzungsschwierigkeiten geschaltet.

Susanne Vieth-Entus

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