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Canisius
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Canisius-Kolleg: Schüler an Jesuiten-Gymnasium jahrelang missbraucht

UPDATE An dem von Jesuiten betriebenen Canisius-Kolleg in Tiergarten sind jahrzehntelang Schüler von Lehrern sexuell missbraucht worden. Das private Gymnasium gilt als Elite-Schule, die viele führende Politiker und Manager durchlaufen haben.

Der sexuelle Missbrauch war durch einen Brief bekannt geworden, den der amtierende Rektor Pater Mertes an mehr als 600 ehemalige Schüler geschickt hatte. Welcher Art die systematischen Übergriffe waren, wollte Mertes mit Rücksicht auf die Opfer nicht sagen. Es seien aber "ekelhafte, schreckliche Sachen".

"Mit tiefer Erschütterung und Scham habe ich diese entsetzlichen, nicht nur vereinzelten, sondern systematischen und jahrelangen Übergriffe zur Kenntnis genommen“, heißt es in dem Brief. Bislang seien ihm sieben Fälle bekannt, sagte Mertes. Er gehe aber "von einer größeren Dunkelziffer“ aus.

Rektor wollte das Schweigen brechen

Die Lehrer, die des Missbrauchs verdächtigt werden, sind laut Mertes schon seit langem nicht mehr an der Schule. "Sofern sie noch leben, recherchieren wir", kündigte der Rektor an. Er habe sich zu dem Brief entschieden, "um einen Beitrag dazu zu leisten, das Schweigen in den betroffenen Jahrgängen zu brechen und den Betroffenen das Sprechen zu ermöglichen“.

Um die Aufarbeitung der Fälle kümmert sich jetzt die Berliner Rechtsanwältin und Mediatorin Ursula Raue, die vom Jesuitenorden im Jahr 2007 als "Beauftragte für Missbrauchsfälle" berufen wurde. Sie ist auch in Kontakt mit den beiden Beschuldigten. Die Taten fanden offenbar in den 70er und 80er Jahren statt.

Landeskriminalamt ermittelt

Zumindest einer der beiden Beschuldigten bestreite die Vorwürfe nicht, so Raue. Allerdings sind die Taten verjährt. Für derartige Vergehen endet die Verjährungsfrist zehn Jahre nach dem 18. Geburtstag des Opfers. Raue benennt als Ziel, dass sich die Täter zumindest entschuldigen. Bei den "intensiven Gesprächen“ mit den beiden Beschuldigten habe sich wieder einmal bestätigt, dass Männer nach derartigen Übergriffen oft denken, "so schlimm sei das gar nicht, was sie getan haben“.

Das Berliner Landeskriminalamt leitete unterdessen ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, wie ein Sprecher sagte. Eine Anzeige sei bei der Polizei bislang nicht eingegangen. Allerdings müsse man auch in jedem Einzelfall prüfen, ob die Straftat bereits verjährt sei. Rektor Mertes erklärte so damit auch, warum bislang keine Anzeige erstattet wurde: "Missbrauch verjährt in Deutschland zehn Jahre nachdem das Opfer 18 Jahre alt geworden ist." Die Opfer des Kollegs seien heute etwa 40 Jahre alt. (mit dpa)

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