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Salafisten protestieren auf dem Potsdamer Platz in Berlin gegen eine Kundgebung der rechstpopulistischen Partei Pro Deutschland. In Berlin wächst die Zahl der erzkonservativen Muslime.
© imago/Christian Mang

Salafismus in Berlin: Schulen sollen Jugendliche vor Extremisten schützen

Salafistischen Agitatoren tritt der Verein "ufuq.de" seit Jahren mit Präventionsprogrammen entgegen. Ab dem kommenden Jahr sollen verstärkt Lehrkräfte und Pädagogen geschult und unterstützt werden.

„Fuck Paris“ - eine Äußerung, die sich über soziale Netzwerke unmittelbar nach den Anschlägen von Paris unter einer Minderheit muslimischer Jugendlicher verbreitet hat. Ein anderer Kommentar war: „Unsere Toten zählen nicht“ - gemeint sind damit nicht die Opfer in der französischen Hauptstadt, sondern die der Anschläge im selben Zeitraum in Beirut oder auf dem Sinai. Alle begangen von islamistischen Terroristen des selbsternannten Islamischen Staates (IS).

„Lehrer sind mit solchen Äußerungen oft überfordert“, sagt Dr. Joachim Müller, Leiter des Vereins ufuq.de. Seit acht Jahren leistet das Projekt, bestehend aus Islam-, Sozialwissenschaftlern und Pädagogen, Präventionsarbeit bei Jugendlichen, um zu verhindern, dass diese mangels identitätsstiftender Alternativen in die religiöse Radikalität abrutschen. „Wir wollen mit dem Verein die Demokratie stärken“, betont Müller.

Ab Januar kommenden Jahres soll das Projekt zur zentralen Anlaufstelle für Pädagogen und Lehrer ausgeweitet werden. Bund und Land wollen mit 130.000 Euro unterstützen. Im Laufe des kommenden Jahres sollen so rund 500 Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Mitarbeiter von kommunalen Verwaltungen durch Fortbildungen und kontinuierliche Beratung bei ihrer Arbeit mit Jugendlichen unterstützt werden.

Einfache Antworten auf viele Fragen

„Jugendliche haben total viele Fragen und bekommen von der Gesellschaft nur sehr wenige Antworten“, sagt Müller. „Vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund ist Religion verbunden mit Identifikation. Nicht weil sie besonders religiös sind, sondern weil es Orientierung bietet“. Auf diesem Feld hätten Salafisten, also erzkonservative Muslime, und Agitatoren radikaler Terrororganisationen leichtes Spiel.

Lehrer würden gefährliche Themen gerne umschiffen, meint Robert Strauch, Sozialpädagoge am Campus Rütli in Neukölln. „Für uns ist das Thema Nahostkonflikt ein heißes Eisen“, nennt er als Beispiel. Für die Jugendlichen sei Anerkennung daher enorm wichtig. „Man muss auf die Kids zugehen, ihnen Mut machen, Unterstützung bieten und das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln“, so Müller.

Es sei beispielsweise häufig vorgekommen, dass Schüler die Schweigeminute für die Opfer von Paris verweigert hätten. „Ein Schüler sagte zu mir‚ ihm stünden die Getöteten in der Türkei näher, und für die sei keine Schweigeminute gehalten worden“, sagt Strauch. Bei solchen Weigerungen oder bei Sprüchen wie „Fuck Paris“ gelte es herauszufinden, ob es sich dabei nur um Provokation identitätssuchender Rebellen handele oder tatsächlich islamistische Argumentationsmuster dahinter stecken, so der Pädagoge.

Kolat: "Ich sehe auch Moscheen in der Pflicht"

Für Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) stünden aber auch die Moscheen in der Pflicht, extremistischen Tendenzen entgegen zu wirken und aktiv Programme zur Deradikalisierung zu betreiben.

Mit vorerst drei Mitarbeitern will der ufuq-Verein sein Modellprojekt ab Januar starten. Er will Lehrer und Pädagogen in Workshops im Umgang mit Schülern und Jugendlichen sensibilisieren. So will er Vorurteile und Berührungsängste abbauen und langfristig eine kontinuierliche Beratung zur Verfügung stellen.

Der Berliner Verein arbeitet seit 2007 als Schnittstelle von politischer Bildung, Jugendhilfe und Prävention zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus. Seit Februar 2015 fördert ihn das Bundesjugendministerium im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“.

Florian Brand

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