Abitur in Berlin: Wie sich Berliner Schüler auf die Abiprüfungen vorbereiten
Nach den Osterferien beginnen die Abiturprüfungen. Wie lernt man am besten? Am Tag? Oder nachts? Drinnen? Draußen? Sechs Schüler erzählen, wie sie sich vorbereiten.
All die staubigen Sprüche sind übrigens wahr. Wenn Erwachsene und halbstarke Studenten sagen: „Hach, Schule, damals, wie entspannt das war !“ oder die Großeltern raten: „Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen“ – haben sie recht. Jetzt, zwei Jahre nach dem Abitur, habe ich das auch verstanden.
Aber ob das denjenigen hilft, die jetzt nach den Osterferien die ersten Abi-Klausuren schreiben müssen? Ich fürchte, erstmal hilft nur eines, nämlich Lernen. Irgendwie. Denn eines ist sicher: Die allermeisten Leute, die erzählen, dass sie nicht lernen und stattdessen im Park rumhängen, lügen. Ich wette, sie sitzen genauso verzweifelt über ihren Büchern wie alle anderen auch.
Ohne Lernen geht es also nicht, aber wie lernt man am besten? Reicht es, einen Abend vorher im Internet zu recherchieren, oder muss man jeden Tag lernen? Hilft Traubenzucker oder Cola? Wir stellen sechs Abiturienten und ihre Lernmethoden vor.
Nicht stressen lassen
Leander Woischnig ist 19 Jahre alt und geht auf die Anna-Freud-Oberschule in Charlottenburg. Für ihn war die Präsentationsprüfung das Stressigste bisher. Für die anderen Prüfungen hat er sich einen Lernplan erstellt. „So eine grobe Liste, was ich noch lesen muss. “ Aber er will sich nicht stressen lassen. „Am Ende ist es auch einfach nur wie eine ganz normale Klausur“, sagt er.
Die Nachtarbeiterin
Anne Entus lernt am liebsten nachts. Sie erzählt, dass sie mal zwei Nächte durchgemacht hat und danach krank war. Sie hustet. Auch in der vergangenen Nacht hat die 18-Jährige gelernt. „Nachts schlafen alle, da lenken mich Instagram und Snapchat nicht ab“, sagt sie. Dann könne man nichts aufschieben. Allerdings, findet sie, sei auch das Nachtlernen eine Art von Aufschieben. Meistens seien es nämlich die Nächte vor den Prüfungen, die dran glauben müssen. „Noch kann mein Körper das“, sagt Anne – wenn auch nur mit viel Kaffee.
Sie erinnert sich an eine Nacht, in der sie bis um eins einen Vortrag vorbereitet hat, dann zu einem Geburtstag ging, danach weitermachte und morgens in der Schule vortrug. „Wenn ich gar nicht schlafe, bin ich wacher, als wenn ich nur ein paar Stunden schlafe“, sagt sie. Sie geht auf das Walther-Rathenau-Gymnasium in Grunewald. Für ihre Politik-Prüfung lernt sie aber tagsüber, weil sie sich dafür mit einer Freundin trifft – „als Ansporn“. Anne will BWL studieren, am liebsten in Berlin. Dafür braucht sie ein gutes Abi.
Unendlich viele Probeklausuren
David Fresen macht sein Abitur an der Katholischen Schule Salvator in Reinickendorf. Aufgeregt? „Nein“, sagt der 17-Jährige. Eine Prüfung hat er ja schon hinter sich, die Präsentationsprüfung, auch fünfte Prüfungskomponente (PK) genannt. „Davor habe ich mir viel Druck gemacht und danach gemerkt, dass das eigentlich umsonst war“. Zu viele Artikel gelesen habe er zum Beispiel. „Vor allem habe ich die Ansprüche der Lehrer überschätzt. Ich habe 14 Punkte bekommen, obwohl ich sie gefühlt nicht wirklich verdient hatte.“
Aufgeregt ist er jetzt eher, weil bald alles vorbei ist. Und es dann erst richtig losgeht, das Leben und so. Trotzdem will er natürlich in den Klausuren gute Noten schreiben. Dafür geht er noch mal alle Hefter durch. „Ich habe mir einen Plan erstellt, fürchte aber, dass ich den eh nicht durchhalten werde.“ Für die Prüfungen in den Leistungskursen hat er von den Lehrern Probeklausuren bekommen: „Unendlich viele.“
In Politikwissenschaften ist die Prüfung dezentral, also kann seine Lehrerin auf den Inhaltsstoff der Semester eingehen. „Hoffentlich“, sagt David. Er lernt meistens in kurzen Phasen an seinem Schreibtisch, manchmal mit entspannter Musik. Und: „Ich sage mir ständig, dass die elfeinhalb Jahre nicht umsonst gewesen sein sollen.“
Spät lernen
Jascha Edert ist es gewohnt, sich selbst zu motivieren. Der 19-jährige macht Abi an einer Fernschule. Trotzdem aufgeregt? „Nö, es sind ja nicht die ersten Prüfungen, die ich schreibe.“ Er macht Fernabi, weil er sich in den stickigen Schulräumen nie konzentrieren konnte, sagt er. „Besonders, wenn in der Reihe vor mir jemand Schnitzelbrötchen gegessen hat“, erinnert er sich.
Jascha hat einen festen Studienwunsch: Psychologie.
Wenn er sich jetzt nicht anstrengt, wäre alles umsonst gewesen. Wie er lernt? „Lesen. Noch mal lesen. Abgespeichert.“ Dann macht er dazu Beispielaufgaben, und zwar möglichst allein. Freunde würden ihn nur ablenken. Anderen Abiturienten empfiehlt er, sich genau zu überlegen, wann und wie sie am besten lernen können. „Früher konnte ich nur bei Heavy Metal gut lernen. Meine Nachbarn nicht. Jetzt bleibt die Musik aus“, sagt er.
Für die Prüfungen kann er am besten ab nachmittags lernen. „Wenn es langsam dämmert, arbeitet mein Gehirn auf Hochtouren, und ich mache meine Aufgaben wahnsinnig schnell. Wenn mich in so einer Phase jemand stört, riskiert er schon mal, dass irgendwas vom Tisch auf ihn zusegelt.“ Vor 14 Uhr ginge meist gar nichts, danach aber sehr lange. „Wenn es draußen still wird und ich einen Text lese, dann kommt der Stoff auf einmal da an, wo er hin soll.“
Die Belohnung
Gerade weil der letzte Schultag schon vorbei ist, sei es schwierig, sich zu motivieren, meint Kathi Jung. „Wenn meine Motivation am Boden ist, stelle ich mir einen Wecker. Sobald der klingelt, gönne ich mir eine Pause, damit ich mir nicht selber ständig Ausreden ausdenke, warum ich jetzt schon wieder zum Kühlschrank muss, statt den Hefter aufzuschlagen.“ Die 19-Jährige geht auf die Martin-Buber-Oberschule in Spandau. „Ich weiß, dass ich mich ziemlich ärgern würde, wenn ich mich auf den letzten Metern verschlechtern würde, weil ich zu faul war.“ Das muss Motivation genug sein. „Und ich denke oft an die freie Zeit danach, die meine Belohnung für das Lernen sein wird.“
Am liebsten lernt sie im Bett. „Hoffentlich wird in nächster Zeit das Wetter besser, dann könnte ich mich zur Abwechslung mal in die Sonne legen.“ Und die Lehrer? „In all meinen Prüfungsfächern haben mich glücklicherweise gute Lehrer unterrichtet, sodass ich mir nicht mehr so viel Lernstoff selber aneignen muss.“ Trotzdem reiche der Unterricht nie aus, um alle Semester noch mal durchzusprechen. „Ich glaube, in Mathe muss ich nochmal ziemlich von vorn anfangen.“ Ihr Geheimtipp: „Tee und Schokolade. Klappt aber nicht immer.“
Für das Leben lernen
„Verstehen bringt mehr als auswendig lernen", sagt die 19-jährige Edith Schütze. Sie besucht die Voltaire-Gesamtschule in Potsdam. Aber auch für das Verstehen müsse man vor allem viel üben. Jeden Tag ein bisschen. Sie findet es gut, ab und zu den Ort wechseln, mal in der Bibliothek zu lernen, mal zu Hause. Und wie viele andere denkt auch Edith bei den Prüfungen an ihren Schnitt.
Simon Grothe ( 19) betreut unseren Jugendblog, für den Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren schreiben. Er hat vor zwei Jahren Abi gemacht und gemerkt, wie viel Stoff aus der Schule später doch noch eine Rolle spielt. Über Statistik zum Beispiel ärgern sich einige seiner Freunde, die studieren, und auch wer Brechtzitate in ein Gespräch einstreuen kann, wirke vor Chefs bisweilen wahnsinnig intellektuell.
Simon Grothe