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Bildung: Soll auch Berlin die Lehrer verbeamten?

Als eines von lediglich drei Bundesländern gewährt Berlin seinen Lehrern keinen Beamtenstatus. Aber bereits seit 20 Jahren wird über eine Änderung diskutiert.

Lehrer verbeamten oder nicht? Mit dieser Grundsatzentscheidung quält Berlin sich seit rund 20 Jahren herum: Zweimal wurde mit Ja entschieden, dreimal mit Nein, aber nun steht die Frage erneut im Raum. Anlass ist die aktuelle Abwerbekampagne aus Brandenburg. Schon haben die ersten Berliner Pädagogen angekündigt, dem Ruf zu folgen.

Berlin steht mit seiner Linie der Nichtverbeamtung von Lehrern bundesweit fast allein da: Nur Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern halten zurzeit noch an ihrer Auffassung fest, dass die Lehrertätigkeit keine hoheitliche Aufgabe sei und deshalb auch von Angestellten geleistet werden könne. Alle anderen 13 Bundesländer bieten ihren Lehrern den Beamtenstatus mitsamt allen Privilegien.

Vor rund 20 Jahren sah es mal so aus, als sei ein Systemwechsel möglich: In der Wendezeit gab es in einigen Bundesländern die Überlegung, generell auf den Beamtenstatus bei Lehrern zu verzichten, beziehungsweise in den östlichen Ländern gar nicht erst einzuführen. Neben Berlin gehörte Schleswig-Holstein zu den Bundesländern, die sich schließlich klar positionierten – in der Annahme, dass andere Länder folgen würden. Genau dies passierte nicht, denn der Angestelltenstatus ist kurz- und mittelfristig für die Landeshaushalte erheblich teurer, weil die Länder als Arbeitgeber in die Rentenversicherung einzahlen müssen. Deshalb blieben alle anderen alten Bundesländer bei der Verbeamtung.

Die Folge spürte zuerst Schleswig-Holstein: die Nachbarländer Hamburg und Niedersachsen warben Lehrer ab. Berlin und die neuen Länder hatten dieses Problem zunächst nicht, weil der Geburtenrückgang nach der Wende einen komfortablen Lehrerüberschuss bescherte.

Dieser Lehrerüberschuss ist inzwischen fast verbraucht: Nur in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die Lehrer noch auf Zwangsteilzeit, weil es zu wenig Schüler gibt. Alle anderen Bundesländer leiden bereits unter Lehrermangel oder wissen, dass sie in wenigen Jahren damit konfrontiert werden, weil tausende Pädagogen in Pension gehen. Auch Berlin konnte beim letzten „Lehrer-Casting“ nicht mehr alle Stellen so besetzen wie gewünscht: Studienräte mit bestimmten Fächerkombinationen sind längst Mangelware. „In dieser Legislaturperiode wird Berlin nicht zur Verbeamtung zurückkehren“, heißt es inoffziell aus der Bildungsverwaltung. Ob Berlin diese Haltung auf die Dauer durchhalten kann, wird bezweifelt: Sobald der Lehrermangel spürbar werde, würden die Karten neu gemischt.

Die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Rosi Seggelke, hält es nicht für zwingend notwendig, dass Berlin wieder verbeamtet. Um die Lehrer zu halten, müssten allerdings die Konditionen besser werden. Die GEW hat am Freitag alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus angeschrieben und ihnen vorgeschlagen, dass angestellte Lehrer zwei Stunden weniger unterrichten müssen. Wer mehr arbeite, solle dann mehr Gehalt bekommen.

Die Bildungspolitiker reagieren unterschiedlich auf den Vorstoß: Felicitas Tesch (SPD), Steffen Zillich (Linkspartei) und Özcan Mutlu (Grüne) sind nicht abgeneigt, fragen sich aber, wie man das finanzieren soll: Wenn alle 5000 angestellten Lehrer zwei Stunden weniger unterrichten würden, müsste man etwa 400 neue Lehrer einstellen. Sascha Steuer von der CDU und Mieke Senftleben (FDP) fordern, abzuwarten, ob es im Sommer genug Lehrer gibt.

Den Schulen wird unterdessen Angst und Bange: Sie warnen davor, dass leistungsstarke, junge, flexible Pädagogen dem Ruf der anderen Bundesländer folgen und die Stadt verlassen, während die durchschnittlichen eher bleiben.

Pro

Ja, Berlin sollte wieder wettbewerbsfähig werden – gerade bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Für die Bildung des Nachwuchses, der die Zukunft ist, braucht es die besten Lehrer. Und wie hält man die in der Stadt? Richtig, mit ordentlichen Verträgen und sicheren Jobs. Mit dem Beamtenstatus zum Beispiel. Gerade in Krisenzeiten ist das ein Trumpf. Ach was, wird mancher sagen, zu teuer, antiquiert und macht auch noch träge. Aber das ist falsch: Denn wer Menschen eine Perspektive bietet, und sei es auf Lebenszeit, der untergräbt nicht dadurch allein schon die Motivation. Der Umkehrschluss ist richtig: Wer sich nicht bindet, trägt keine Verantwortung. Zu beobachten ist das bei vagabundierenden „Eliten“, die auf der Jagd nach Millionenboni schon mal das globale Finanzsystem aufs Spiel setzen – Hauptsache, die Kasse stimmt. Es ist absurd, dass wegen der so verursachten Finanzkrise das Gemeinwesen jetzt härter sparen, noch mehr streichen muss – bei der Bildung. Wer sich mit Lehrern in sozialen Brennpunkten unterhält, der weiß, wie schwer dieser Job ist. Und warum mancher vor der Zeit ausgebrannt ist. Aber wie vielen Generationen hat dieser Mensch zuvor den Weg zum Schatz gewiesen, zur Bildung! Wer diese Leistung nicht honoriert mit dem Kalkül, einen kranken Angestellten werde man leichter los, der ist einfach nur zynisch. Ralf Schönball

Contra

Die Gebrechen des Berliner Lehrkörpers sind zahlreich. Berliner Lehrer sind im Durchschnitt zu alt, das führte zu überdurchschnittlich hohen Ausbrennerscheinungen und Leiden, die bei Menschen auftreten, wenn ihnen ihr Beruf zu viel wird. Die früher gewohnte Verbeamtung hat diese Gebrechen nicht lindern können; sie hatte eher zur Folge, dass Gebrechlichkeit im Lauf vieler Jahre die gesamte Lehrerschaft ergriff. Der Senat ist, nach Jahren der Ignoranz, zur Tat geschritten, und hat den Lehrkörper verjüngt, indem er neue Kräfte anstellte, unter Verzicht auf die Beamtensicherheit. Das war klug. So reagiert man schnell auf akute Bedürfnisse. So sichert man sich als Arbeitgeber die Möglichkeit, sich von Leuten zu trennen, die nicht so richtig arbeiten wollen. Und man gewinnt Verhandlungsfreiheit für alle Fälle, die zwischen den Extremen liegen. Die Brandenburger ignorieren die Gründe für die Berliner Linie der Nichtmehr-Verbeamtung, die für alle die sinnvollere Umgangsweise mit Lehrern darstellt. Das ist fahrlässig in Anbetracht der Brandenburger Haushaltsproblematik. Der Senat aber hat keinen Grund, die moderne Linie zu verlassen. Im Gegenteil: Lehrer, die sich ihrer Schule und ihren Schülern so wenig verbunden fühlen, dass sie beim ersten Beamtenlockruf nachgeben, soll man ziehen lassen. Das lässt in Sachen Motivation tief blicken. Werner van Bebber

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