Anmeldung zur Grundschule: Rückstellungen: Ein Kreuz genügt – fast
Ab kommenden Montag werden Kinder fürs neue Schuljahr angemeldet. Rückstellungen sind jetzt leichter. Doch Eltern müssen noch einiges beachten.
Hannah gehört zu den Kindern, die es ihren Eltern nicht leicht machen. Fremde Menschen lehnt sie ab und still sitzen kann sie gar nicht. Außerdem ist sie extrem zart für ihr Alter. Aber im November wird sie fünf und das bedeutet: Nächstes Jahr müsste sie eingeschult werden. Was tun mit Hannah? Einschulen? Zurückstellen? Am 21. Oktober beginnt die Anmeldefrist und damit die Zeit, in der sich nicht nur Hannahs Eltern darüber klar werden müssen, ob sie ihr Kind noch ein zusätzliches Jahr in der Kita lassen wollen oder nicht.
Falls sie sich für ein „Ja“ entscheiden, haben sie es jetzt leichter als bislang: Die Bildungsverwaltung verzichtet ab diesem Jahr auf einen schriftlichen Antrag und gibt sich mit einem schlichten Kreuz zufrieden. Dieses Kreuz können die Eltern direkt auf dem Anmeldebogen machen, den sie sowieso bei der Anmeldung an ihrer Grundschule abgeben müssen.
Was so selbstverständlich und unspektakulär klingt, bedeutet für die Betroffenen einen erheblichen Fortschritt: Seit 2010 sind Rückstellungen zwar prinzipiell wieder möglich, allerdings war der Weg dorthin bislang sehr kompliziert. Das fing schon damit an, dass die Familien nur über Umwege davon erfuhren, dass sie ihr Kind ein Jahr später einschulen konnten; in den einschlägigen Publikationen der Verwaltung wurde diese Möglichkeit vernebelt.
Die nächste Hürde war der schriftliche Antrag: Bildungsferne Familien wurden davon abgeschreckt, und selbst Akademiker fühlten sich hilflos, weil sie nicht wussten, wie sie die Sache angehen sollten. Damit ist es nun vorbei: Ein Kreuz genügt. Falls sie noch Zweifel haben oder die Stellungnahme der Kita noch nicht vorliegt, können die Eltern auch erst mal ankreuzen, dass sie die Rückstellung lediglich „erwägen“. In diesem Fall müssen sie sich aber bis 31. März entscheiden.
Ein Selbstläufer ist die Rückstellung allerdings immer noch nicht. Vier ganze Seiten umfasst die „Prozessbeschreibung“, die während der Herbstferien in den Schulen eintrudelte. Dort wird erläutert, wer wann welche Aufgaben zu erledigen hat, damit ein Kind tatsächlich in der Kita bleiben kann.
Eine Schlüsselstellung kommt dabei dem Schularzt zu. Er muss das Kind untersuchen und dann entscheiden, ob er eine Rückstellung vom Schulbesuch empfiehlt. Falls er von der Einschulung abrät, dürfte es dem Schulrat nicht schwer fallen, ebenfalls für einen Verbleib in der Kita zu votieren. Bei einer derart eindeutigen Aktenlage soll er innerhalb einer Woche sein eigenes Votum abgeben. Kompliziert wird es dann, wenn der Wunsch der Eltern und das Votum des Arztes nicht übereinstimmen: In diesem Fall muss der schulpsychologische Dienst hinzugezogen werden. Die letzte Entscheidung liegt aber wiederum beim Schulrat, der die Schulaufsicht verkörpert.
Ein Nadelöhr in dem ganzen Verfahren ist der Schularzt: Seit Jahren klagen die Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienste (KJGD) über ihre personelle Unterversorgung. Da ohne ihr Votum nichts entschieden werden kann, müssen die Eltern sich bemühen, möglichst schnell, spätestens aber bis zum 31. März, einen Termin bei den Schulärzten zu bekommen. Dann drängt die Zeit, denn die Schulräte sollen bis zum 15. April ihre Entscheidung gefällt haben. Anders geht es nicht, denn die Kitas wiederum müssen ja wissen, ob sie die entsprechenden Plätze für die Kinder freihalten sollen oder nicht. Schließlich haben nicht wenige von ihnen lange Wartelisten von Nachrückern, die auf die frei werdenden Plätze der schulpflichtigen Kinder hoffen.
Um welche Größenordnung von Plätzen es geht, macht ein Blick auf die aktuellen Rückstellungszahlen zum Schuljahr 2013/14 deutlich: Wie die Bildungsverwaltung auf Anfrage am Montag mitteilte, sind rund 3500 Kinder trotz Schulpflicht nicht eingeschult worden. Dies entspricht über 13 Prozent der Erstklässler. Die Zahlen dürften sogar noch zu niedrig sein, denn eine spätere Umfrage des Tagesspiegels in den Bezirken hatte, wie berichtet, höhere Zahlen ergeben.
Unklar ist bislang noch, welche Rolle die Untersechsjährigen bei den Rückstellungen spielen. Dazu läuft zurzeit eine Untersuchung im Auftrag der Bildungsverwaltung. Der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu, aber auch der Koalitionspartner CDU hatte auf die Untersuchung gedrungen, weil Berlin im internationalen und im deutschen Vergleich besonders früh einschult. In der Folge müssen sehr viele Schüler die zweite Klasse wiederholen und verbleiben letztlich mindestens sieben Jahre in der Grundschule. Die CDU plädiert für eine Vorschulpflicht, um die Defizite früher auszugleichen.