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Das Oberstufenzentrum Informationstechnik in Neukölln.
© Thilo Rückeis

Ungenaue Zielvorgaben des Senats: Reform der Berufsschulen verzögert sich

Die Oberstufenzentren sollen selbständiger werden. Von "Kompetenzzentren" mit weit reichender Eigenverantwortung war die Rede. Nun ist die Reform aufgeschoben worden.

Die groß angelegte Reform der Berliner Berufsschulen ist ins Stocken geraten. Das hoch gesteckte Ziel, die Oberstufenzentren (OSZ) in „Kompetenzzentren“ umzubauen und parallel in eine andere Trägerschaft zu überführen, ist offenbar schwieriger zu erreichen als von der Bildungsverwaltung erhofft. Eine für diesen Freitag anberaumte Reform-Runde mit den externen OSZ-Partnern wie DGB, IHK und Verbänden wurde ebenso verschoben wie eine für Donnerstag geplante Diskussion mit Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen. Nun sollen die Ergebnisse „voraussichtlich im Frühjahr“ vorliegen, wie die Bildungsverwaltung am Dienstag auf Anfrage mitteilte.

Hintergrund dieser Reformbaustelle ist das Bestreben, den Berufsschulen mit ihren insgesamt 80 000 Schülern mehr Eigenverantwortung zu übertragen. In anderen Bundesländern wurden sie bereits in GmbHs oder Landesbetriebe überführt, in Berlin hängen sie „an der kurzen Leine des Senats“, wie sich ein OSZ-Leiter ausdrückt. Das bedeutet, dass sie bei der Personalentwicklung, in Finanzfragen und bei eigenen Schulkonzepten kaum Handlungsspielraum haben.

Zwar hat eine Arbeitsgruppe aus Schulleitern und dem zuständigen Referat über ein Jahr lang getagt. Nun aber hat sich herausgestellt, dass der noch vom Vorgängersenat erteilte Arbeitsauftrag nicht den Erwartungen von Rackles entsprochen hat. Er sei deshalb jetzt „präzisiert“ worden, heißt es aus der Verwaltung.

„Der Diskussionsprozess wird nicht beendet, sondern neu aufgestellt“, bemüht sich der Vorsitzende des Verbands Berufliche Bildung in Berlin, Stefan Platzek, um eine optimistische Sicht auf die Dinge. Er ist Mitglied der Reform-AG. Der ehemalige Vorsitzende hingegen, Pit Rulff von der Ernst-Litfaß-Schule, macht keinen Hehl aus seiner „Enttäuschung“ über die Verzögerung. Um die Reform zu beschleunigen, empfiehlt Rulff, die AG um Juristen und Verwaltungsfachleuten zu verstärken und sie „direkt an den Staatssekretär anzubinden“.

Hier liegt allerdings nicht die einzige Reformbaustelle im Bereich der OSZ. Unausgegoren ist auch die angestrebte Kooperation zwischen den Berufsschulen und den Integrierten Sekundarschulen (ISS). Gemäß Schulstrukturreform soll sich jede ISS, die keine eigenen Oberstufen hat, mit einem OSZ zusammentun. Nicht alle ISS sind damit aber zufrieden: Sie wissen, dass Eltern, die das Abitur im Auge haben, einen Schulwechsel nach der 10. Klasse vermeiden wollen. Diese Familien wollen keine ISS ohne Oberstufe.

Virulent ist das Problem vor allem für die Gemeinschaftsschulen, die vom Senat als „Lerngemeinschaft von der Einschulung bis zum Schulabschluss“ beworben werden. Viele dieser Schulen sind davon ausgegangen, dass sie eigene Oberstufen aufmachen können, aber nur wenige haben die Erlaubnis bekommen.

Akut ist das Problem gerade an der Lichterfelder Nikolaus-August-Otto-Gemeinschaftsschule. Sie war davon ausgegangen, bis zur 13. Klasse führen zu können. Die Bildungsverwaltung hingegen möchte, dass die Schule mit einem OSZ kooperiert, weil sie davon ausgeht, dass die Schule aus eigener Kraft nicht genug Abiturienten hervorbringen wird. Sie will die Oberstufenschüler an den Zentren bündeln, um das dortige Personal besser auszulasten. Kleine Oberstufen gelten als teuer und ineffizient.

Diese Option lehnen die Eltern ab. Das Argument der fehlenden Schüler lassen sie nicht gelten: Die Schule könne ja Kinder anderer ISS aufnehmen, heißt es in einem Brief an die Bildungssenatorin.

Inzwischen hat sich Klaus Hurrelmann in den Konflikt eingemischt. Als externes Mitglied der Schulkonferenz appelliert der bundesweit bekannte Bildungsfachmann an den Senat, die Oberstufe zuzulassen, da die Gemeinschaftsschule „hervorragende Bedingungen bietet, um eine Oberstufe aufzubauen, die neuartige und wegweisende pädagogische Konzepte umsetzen kann“, heißt es in einem Brief Hurrelmanns an die Senatorin. Ihre Verwaltung kündigte an, „noch in dieser Woche“ eine Entscheidung zu fällen.

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