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Jungen und Mädchen spielen Fußball beim Feriencamp in Lichterfelde. Im Hintergrund Trainerin Vicdan Yavas und Trainer Alexander Regh.
© Mike Wolff

Fußballcamp für Kinder in Berlin: Kick it like Lichterfelde

Beim Fußballcamp des FC Viktoria 1889 steht die Spielfreude im Vordergrund. Hunderte Kinder verbringen hier ihre Ferien.

Das ist jetzt natürlich ein bisschen gemein von Alexander Regh. Seine Kinder spielen „Kettenfangen“; erst mal fassen sich zwei an der Hand und versuchen als Team, die anderen zu fangen. Wer getroffen wird, gliedert sich in die Kette ein. Elf Kinder, zwischen vier und sieben Jahre alt, spielen mit.

Es ist bloß nicht so einfach, andere Kinder abzuklatschen. Die Jäger rennen und greifen, die Erfolge sind überschaubar. Regh schaut sich die Bemühungen eine Weile an, dann entscheidet er: „Jetzt machen wir eine Neuner-Kette, und nur noch zwei Kinder werden gejagt.“

Neuner-Kette, das klingt unfair gegenüber den Gejagten, das klingt nach einfacher Jagd. Doch die Neuner-Kette ist viel zu groß und unbeweglich, ein Kind stolpert, die anderen fallen mit wie Dominosteine. Die beiden Gejagten stehen daneben und mustern das wilde Durcheinander mit triumphierendem Blick.

Und alle lachen.

"Das ist kein Sichtungstraining"

So soll das sein, so stellt sich Regh das vor. Schließlich ist er einer der Trainer beim Ferien-Fußballcamp des FC Viktoria 1889 in Lichterfelde, hier geht’s um gute Laune und Spielfreude. „Wir wollen in allererster Linie eine gute Betreuung der Kinder“, sagt Regh. „Bei uns ist ganz wichtig, dass jeder Spaß hat.“ Der FC Viktoria 1889 hat die größte Jugendabteilung in Deutschland, „aber das hier“, sagt Regh, „ist kein Sichtungstraining. Niemand muss sich im Camp anmelden, damit sein Kind später vielleicht im Verein spielen kann.“ Hier können Eltern ihre Kinder eine Woche lang versorgen lassen, Essen und Trinken inklusive. Für Mitglieder kostet das Camp 149 Euro, für Nichtmitglieder 169.

Trainer Alexander Regh und seine Schützlinge.
Trainer Alexander Regh und seine Schützlinge.
© Mike Wolff

Es ist Montagmorgen, 60 Kinder haben sich im Stadion am Ostpreußendamm in Lichterfelde versammelt, sie sind zwischen vier und zwölf Jahre alt. Acht Trainer stehen ebenfalls bereit. Tim Schrade, der Projektleiter des Camps, begrüßt die Kinder am Mittelkreis, dann teilt er sie in Gruppen auf. Erstes Kriterium: das Alter. Regh bekommt die Vier- bis Siebenjährigen. Zweites Kriterium: individuelle Wünsche. Oft möchten zwei oder mehr Kinder zusammen in einer Gruppe spielen, Eltern können so etwas bei der Anmeldung eintragen. So lange es vom Alter her irgendwie möglich ist, werden diese Wünsche erfüllt.

Das Leistungsniveau ist erst mal kein Kriterium. Es gibt Kinder, die bei Viktoria im Verein spielen, es gibt Kinder, die Fußball-Laien sind. Egal, die Trainer passen die Anforderungen entsprechend an. Sie haben viel Erfahrung, Viktoria bietet seit Jahren Camps an, in allen Ferien.

9.30 Uhr, die Begrüßung ist beendet, die Kinder frühstücken im Vereinsheim. Jens Berger*, zehn Jahre alt, löffelt sein Müsli. Er trägt wie alle ein feuerwehrrotes T-Shirt, Aufdruck: „Sommercamp FC Viktoria 1889“. Er darf es behalten, ebenso wie den orangefarbenen Ball, die Hose, die Stutzen, seinen Rucksack. Jens ist „das zehnte oder elfte Mal beim Viktoria-Camp“, er hatte schon vergangene Woche hier gesessen, und für die Osterferien hatten ihn seine Eltern auch schon angemeldet. In einem Verein hat er allerdings noch nie gespielt. „Mir gefällt es gut hier“, sagt er, „die Trainer sind nett, und mit den Kindern komme ich sehr gut aus. In der letzten Gruppe waren wir alle schnell befreundet.“ Und ja, irgendwann möchte er mal bei Viktoria spielen.

Es geht auch um soziale Werte

Ein paar Meter weiter sitzt Regh und sagt: „Wenn uns jemand als besonders talentiert auffällt, sprechen wir ihn natürlich an, dann fragen wir, ob er Lust hätte, mal vorbeizukommen.“ Aber häufig passiert das nicht, schon deshalb, weil bei Viktoria fast alle Mannschaften voll sind.

Neben Regh steht Schrade, der Projektleiter, ihm geht es auch um „soziale Werte“, die hier vermittelt werden. „In der Mittagspause zum Beispiel sollen die Größeren auf die Kleineren aufpassen.“ In der Pause können die Kinder auf dem Platz frei spielen. Selbstverständlich stehen die Trainer weiter bereit.

Es sind immer genügend Betreuer da, zwei für jeweils circa 15 Kinder. Schrade hat ja die Anmeldungszahlen, er kann also entsprechend planen. In der ersten Ferienwoche spielten 100 Kinder im Feriencamp, entsprechend groß war die Zahl der Trainer. Und die haben genügend Fachwissen. Nico Steinbeck, der eine Gruppe Älterer betreut, spielte für Viktoria in der A-Jugend-Bundesliga, Regh trainiert eine leistungsorientierte C-Jugend, seine Kollegin Vicdan Yavas, eine 19-Jährige mit wilden, langen Haaren, spielt in der Regionalliga-Mannschaft von Viktoria. Sie betreut mit Regh die Gruppe der Vier- bis Siebenjährigen.

Auf dem Nachbar-Spielfeld hat Nico Steinbeck seine Gruppe, seine Kinder sind neun bis zwölf Jahre alt. Er testet erst mal ihre Spielstärke, auf dem Programm steht eine nicht ganz einfache Passübung. Steinbeck registriert verwundert, dass die Kinder unerwartet gut mit dem Ball umgehen. Also erhöht er den Schwierigkeitsgrad etwas, mit gleichem Ergebnis. Steinbeck ist beeindruckt. „Das sieht wirklich gut aus, das ist top.“

Also noch etwas schwieriger das Ganze. Wieder keine Probleme. Steinbeck versammelt seine Kinder, geht in die Knie und verkündet: „Ich bin wirklich begeistert, das sieht hervorragend aus, das ist schon anspruchsvolles Training.“ Er blickt in leuchtende Kinderaugen.

Die Nachfrage ist groß

Neben ihm trainiert Katharina Hoffmann, ihre Kinder sind kleiner als die von Steinbeck und auch nicht so gut. Bei einer Schussübung fliegt bei Julius nicht bloß der Ball Richtung Tor, sondern auch der linke Schuh. Und Leonard murmelt kurz vor seinem Schuss:: „Ich versemmel doch alles.“ Ach was, der Ball ist zwar kein Strich, aber er fliegt Richtung Tor. Außerdem stört’s hier niemanden, wenn der Ball vorbei zischt.

Alexander Regh ist bei den Jüngsten jetzt auch beim Fußball angekommen. Seine Kinder müssen abwechselnd hüpfend mit dem linken und rechten Fuß auf den Ball tippen, wer zehnmal getippt hat, darf den Ball in die Hand nehmen und in die Luft strecken. Wer ist der Schnellste? Der Wettbewerb macht erkennbar Spaß. Dann lassen die Kinder den Ball abwechselnd auf den linken und rechten Oberschenkel tropfen. Jedesmal fangen sie den Ball, dann kommt der ander Oberschenkel. Wieder ein Wettbewerb, wer hat als erster zehn Mal geschafft? Wettbewerbe sind für Kinder ganz wichtig, sie steigern die Motivation.

Es ist alles entspannt hier, die Kinder haben Spaß miteinander, die Trainer sind locker. Einmal nur, im vergangenen Jahr, fiel ein Kind wirklich und dauerhaft negativ auf. „Sie müssen ihr Kind nicht mehr für ein Camp anmelden“, teilten die Trainer den Eltern am Ende der Woche mit. Da geht’s auch ums Prinzip.

Aber über mangelnde Nachfrage muss sich Projektleiter Schrade sowieso nicht beklagen. 60 Kinder in dieser Woche? Was soll’s? Nächste Woche findet noch ein Camp statt. „Da kommen 120.“

*Namen aller Kinder geändert

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