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Optimistisch. Franziska Giffey hat über Neukölln promoviert.
© Paul Zinken

Bildungsstadträtin Giffey: „Hier herrscht die doppelte Halbsprachigkeit“

Franziska Giffey ist neue Bildungsstadträtin in Neukölln. Im Interview spricht sie über die neuen Aufgaben.

Franziska Giffey tritt in große Fußstapfen. Seit sechs Wochen ist sie die Nachfolgerin des Neuköllner Bildungsstadtrats Wolfgang Schimmang, der aus Altersgründen in Pension ging. Die 32-Jährige wurde in Frankfurt (Oder) geboren, ist SPD-Mitglied, Diplom-Verwaltungswirtin und hat über die Frage promoviert, wie „Europas Weg zum Bürger am Beispiel von Neukölln“ gestaltet werden kann. Sie war acht Jahre lang Neuköllns Europabeauftragte. Mt ihr sprach Patricia Hecht.

Frau Giffey, Neukölln ist ein hartes Pflaster für eine Bildungsstadträtin. Wie haben Sie sich auf die Aufgabe vorbereitet?

Während der Arbeit als Europabeauftragte des Bezirksbürgermeisters habe ich einen sehr guten Zugang zu Neukölln bekommen. Gerade in so einem schwierigen Bezirk gibt es, was die Bildung angeht, große Herausforderungen – aber auch Gestaltungsspielräume für innovative Ideen.

Was heißt das für die konkrete Arbeit?

Viele Projekte, mit denen mein Vorgänger jahrelang die Bildungspolitik geprägt hat, sind für mich von großer Bedeutung: die Entwicklung des Campus Rütli, der Wachschutz an Schulen, der Aufbau von Schulstationen und Elterncafés, die Öffnung der Schulen in den Kiez hinein und die verstärkte Zusammenarbeit mit externen Akteuren. Schule muss auch als Integrationsinstanz funktionieren. In dieser Hinsicht ist der Ganztagsbetrieb eine große Chance: Man muss es schaffen, Jugendliche stärker zu unterstützen, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, und auch ihnen bestmögliche Entwicklungsperspektiven bieten.

Wie arbeiten Sie mit Herrn Buschkowsky zusammen?

Sehr gut, ich schätze ihn sehr. Er ist für mich ein politisches Vorbild.

Er steht etwa dafür, mit harter Hand gegen Schwänzer vorzugehen. Und Sie?

Bei 28 000 Schülern im Bezirk gibt es im Jahr etwa 700 Verfahren, weil Schüler mehr als zehn Tage am Stück nicht in der Schule waren. Wir agieren hier sehr konsequent mit Bußgeldern und der Androhung von Erzwingungshaft bei Eltern, die das nicht zahlen. Das größere Problem ist, dass es viele Schüler gibt, die unregelmäßig kommen – und die werden mit diesem Verfahren nicht erfasst. In Absprache mit dem Jugendamt und der Schulaufsicht wollen wir deshalb nun mit einem Schnellmeldeverfahren zur Kindeswohlgefährdung arbeiten. Auch das Schwänzen soll schneller gemeldet werden – letztlich ist es ja ein Indikator dafür, dass in einer Familie etwas nicht stimmt.

Aktuell wird über eine Deutschpflicht auf Schulhöfen debattiert. Sind Sie dafür?

Dass auf Schulhöfen Deutsch gesprochen wird, ist doch gar nicht die Frage – es geht darum, was für ein Deutsch. In Neukölln herrscht die „doppelte Halbsprachigkeit“: Viele Jugendliche können keine ihrer Sprachen richtig. Wir müssen daran arbeiten, dass beide Sprachen gut beherrscht werden. Dafür bringen die Kinder aber bei Weitem nicht die erforderlichen Voraussetzungen mit, wenn sie in die Schule kommen.

Frühere Förderung statt Deutschpflicht?

Genau. Wir brauchen eine Kindergartenpflicht ab dem dritten Lebensjahr und wenn möglich auch davor. Wir müssen es schaffen, das 100 Prozent der Kinder mit guten Voraussetzungen in der Schule ankommen. Denn was in der frühkindlichen Förderung versäumt wird, kann nicht mehr aufgeholt werden und setzt sich in Frustration und verfehlten Schulkarrieren fort. Wenn man diese Förderung ernsthaft betreiben will, muss man auch personell investieren.

Sie haben einen einjährigen Sohn und tragen sich selbst mit dem Gedanken, von Friedrichshain nach Neukölln umzuziehen.

Ich kann mir vorstellen, dass mein Sohn später hier zur Schule geht. Aber natürlich möchte ich auch, dass er eine sehr gute Schule besucht. Ich werde meine Politik immer auch aus Sicht der Mutter sehen: Was würde ich für mein Kind wollen. Unsere Aufgabe ist es, die Schulen so zu stärken, dass diese Erwartungen erfüllt werden. Da ist zum Teil noch viel zu tun.

Sie werden bis zur BVV-Wahl vorerst ein Jahr im Amt bleiben. Ist diese Zeit nicht zu kurz, um tatsächlich zu gestalten?

Momentan geht es darum, den Partnern Kontinuität zuzusichern. Wenn die nächsten Wahlen gut ausgehen, was ich mir natürlich wünsche, dann kann man gewisse Dinge neu ausrichten und neue Akzente setzen. Mir ist bewusst, dass ich in große Fußstapfen trete, aber meine Füße können auch eigene Wege gehen.

Welche Schritte legen Sie denn vor?

Mir ist etwa Kommunikation ganz wichtig. Unsere Internetpräsenz wird, was den Schulbereich betrifft, ausgebaut. Ich habe begonnen, einen monatlichen Newsletter herauszugeben, den Neuköllner Bildungsbrief, um alle Partner auf dem Laufenden zu halten. Wir arbeiten außerdem an einer neuen Konzeption der Schulbroschüre, die noch vor Weihnachten fertig sein soll. Es gibt Probleme in Neukölln – aber wir müssen auch die Potenziale, die wir haben, stärken und besser kommunizieren.

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