Zehlendorf: Flüsternde Lehrer im Jogginganzug
Ein spezieller Abi-Streich am Schadow-Gymnasium: Den Abiturienten ging es vor allem um Kritik an Frontalunterricht und autoritärem Gebaren
„Guten Tag, guten Tag, wir wollen unsere Schulzeit zurück.“ Diese leicht abgewandelte Zeile eines „Wir sind Helden“-Songs drückt aus, was den diesjährigen Abiturienten des Schadow-Gymnasiums in Zehlendorf in den vergangenen Monaten durch den Kopf ging. Also kamen am Montag 80 der 97 Jahrgangsmitglieder noch einmal unerwartet an ihre Schule zurück. In hellblauen Marinehemden mit dem Aufdruck „Reklamation“ – Titel des Durchbruchalbums der Band um Sängerin Judith Holofernes – enterten sie das Gebäude an der Beuckestraße, schickten ihre Mitschüler in die Turnhalle, die Jüngsten und die Lehrer aber in den Schulhof. Ein Abistreich – mit hohem Anspruch. „Wir sind heute angetreten, den besten Abistreich aller Zeiten zu machen“, bekamen die Schüler in der Turnhalle zu hören.
Ob sie dieses selbst gesteckte Ziel erreicht haben, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. In jedem Fall aber hat der Jahrgang ungewöhnlich viel Herzblut, Fantasie und Engagement in seinen Abschied investiert. Den Auftakt bildete eine Camouflagenummer vergangene Woche. Da hatten die Schulabgänger eine Telefonkette gestartet und das Gerücht in Umlauf gesetzt, dass wegen eines Wasserrohrbruchs am vergangenen Dienstag kein Unterricht stattfinden könne, berichtet Abiturientin Nora Haberland.
Ein Teil der Schüler kam trotzdem, aber das war eingeplant. Dieser erste Streich diente ohnehin nur dazu, vom eigentlichen Vorhaben abzulenken. Umso unerwarteter konnten sie jetzt zuschlagen. Direktor Harald Mier hatte den Abiturienten bereits am Wochenende die Zeugnisse verliehen und war am Montag überhaupt nicht anwesend.
Sein Kollegium musste im Hof auf Schulbänken Platz nehmen und mit den Abiturienten die Rollen tauschen. Mit dem Megafon sorgte Sidney Ihlenfeld für Ruhe und kündigte verschiedene kleine Aufgaben an: „Als Belohnung habe ich Essensgutscheine dabei.“ Jahrgangskollegen imitierten dann Lehrer mit Flüsterton und Jogginganzug und drückten ihren Schülern auf Zeit Helge Schneiders Katzenklo-Text in die Hand. Er sollte vorgelesen und auf gesellschaftskritischen Gehalt untersuchen werden.
Kritik, vor allem an Frontalunterricht und autoritären Lehrern, wollten die Abiturienten üben. Das Rollenspiel sollte den Lehrern einen Spiegel vorhalten, jedenfalls empfanden die Abiturienten den Unterricht oftmals als starr. Bis in den Nachmittag hinein probierten die Abgänger mit ihren zurückbleibenden Mitschülern aus, wie Lernen anders funktionieren kann – in einer Vielzahl von Kleingruppen, die gemeinsam kochten, Theater spielten, musizierten und über Tagespolitik diskutierten. „Wir wollen kreativ und konstruktiv zeigen, wie Schule auch ablaufen kann“, so Abiturient Ben Waltmann. „Der Jahrgang hat ein abwechslungsreiches und lustiges Programm auf die Beine gestellt“, lobte Vize-Schulleiter Lutz Glesczinsky. Werner Kurzlechner