Deutscher Lehrerpreis für Berlin: Einer der besten Lehrer kommt aus Lichtenberg
Robert Heinrich bekommt den Deutschen Lehrerpreis 2014, als einziger Pädagoge aus Berlin. Er unterrichtet am Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium in Lichtenberg. Und das mit ungewöhnlichen Methoden.
Handys im Unterricht, und dann verteilt die noch der Lehrer selbst, damit die Schüler sich gegenseitig filmen – ja, geht’s eigentlich noch? Sehr gut sogar geht das, zumindest in dieser Geschichtsstunde im Lichtenberger Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium, in der die Neuntklässler eine Videobotschaft an den Sänger Neil Young einüben – und zumindest dann, wenn ihr Lehrer Robert Heinrich heißt. Am Montag ist der 41-Jährige mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet worden – als einziger Berliner Pädagoge in diesem Jahr. Er unterrichtet Englisch, Geschichte und Politik – alles auf Englisch, das Gymnasium hat einen bilingualen Schwerpunkt.
Handys im Unterricht
Vorgeschlagen für den Preis haben ihn ehemalige Schüler, die im vergangenen Schuljahr Abitur gemacht haben und von ihrem Lehrer so begeistert waren, dass sie ihm etwas zurückgeben wollten. „Diese Auszeichnung trifft ganz sicher den Richtigen“, sagt sein Schulleiter Martin Wagner. Ein absoluter Glücksfall als Lehrer sei Heinrich. „Er ist fachlich sehr gut ausgebildet und er versteht es, die Unterrichtsthemen mit der Lebenswirklichkeit der Schüler zu verbinden.“
Was das heißt, wird deutlich, wenn man im Unterricht zuschaut, und dann versteht man auch, was Neil Young mit dem Fach Geschichte zu tun hat. Seinen Song „Cortez the Killer“ hat der Sänger angeblich schon als Schüler geschrieben, in einer Geschichtsstunde an der Highschool, vermutlich Anfang der 1960er Jahre. In dem Lied geht es um den spanischen Konquistador Hernan Cortes und die Eroberung Mexikos. Wie werden die Azteken in dem Lied dargestellt, die Frauen alle wunderschön, die Männer stark? Sind das nicht ein bisschen viele Stereotype? Und: „Isn’t the song a bit Eurocentric?“, fragen die Schüler in ihrer Videobotschaft. Zuvor haben sie sich mit Columbus beschäftigt und wie dieser auf Bildern dargestellt wird, welche Perspektive eingenommen wird, welche Botschaft damit verbunden wird.
Schüler geben Feedback
„Man denkt manchmal, Geschichte sei das, was früher geschehen ist. Aber das ist es eigentlich nicht“, sagt Heinrich. „Geschichte wird vielmehr gemacht, und zwar indem wir darüber sprechen und nachdenken.“ Man merkt ihm die Begeisterung für sein Fach an, und die überträgt sich auf die Schüler. Nach der Probeaufnahme geben sich die Schüler Feedback, was war gut, was nicht so? Auf vielen verschiedenen Ebenen also läuft dieser Unterricht: Die Schüler argumentieren, üben Teamwork, setzen sich mit Geschichte auseinander und damit, wie sie sich vor der Kamera präsentieren und auf Englisch ausdrücken.
„Bei ihm macht der Unterricht so viel Spaß – man merkt währenddessen kaum, wie viel man dabei lernt.“ Das sagt Schulleiter Wagner. Und die Schüler? „Herr Heinrich hat immer interessante Aufgaben für uns, er brüllt nicht und ist sehr sympathisch“, meint die 14-jährige Ella. „Er setzt sich für uns ein und hat gute Ideen“, sagt Lea. „Und es ist toll, dass er so viel mit den neuen Medien macht, mit dem Smartboard oder jetzt mit den Videos“, sagt Klara. In der Begründung für den Lehrerpreis klingt das so: „Hingabe für das Unterrichten, sein Fachwissen (auch über den Lehrstoff hinaus), innovative Lehrmethoden, Förderung und Motivation, Kritikfähigkeit, transparente Benotung, Interesse und Unterstützung auch außerhalb des Unterrichts“.
Dabei ist Heinrich, der in Charlottenburg aufgewachsen ist, noch gar nicht so lange Lehrer. Erst mit 30 Jahren fing er an zu studieren. Davor war er Tontechniker, hat fürs Fernsehen und die Deutsche Welle gearbeitet, viel von der Welt gesehen. Mal ein Jahr in Australien gelebt, ein Jahr in England studiert. Die Entscheidung für das Studium und den Lehrerberuf war genau das Richtige für ihn: „Ich liebe es einfach, das Unterrichten, meine Fächer, den Austausch mit den Schülern und den Kollegen.“ Inzwischen lebt er in Kreuzberg, mit seiner Frau und zwei Kindern im Grundschulalter.
Lehrer üben den Umgang mit Smartboards
Heinrich setzt sich an seinem Gymnasium für die Evalulation ein, kümmert sich darum, dass neue Vorhaben und Projekte zur Schulentwicklung umgesetzt werden, er ist eine Art Qualitätsbeauftragter. Außerdem übt er mit seinen Kollegen, wie man Smartboards benutzt. „Er ist voller Idealismus“, sagt sein Schulleiter.
Auch 2013 bekam übrigens ein Geschichtslehrer aus Lichtenberg die Auszeichnung, da war es Robert Rauh vom Barnim-Gymnasium in Hohenschönhausen. Ein Zufall? „Die Bedingungen in Lichtenberg sind schon sehr gut“, sagt Heinrich. Es gibt viele Schulen mit gutem Ruf und leistungsstarken Schülern, die Schulaufsicht arbeite schnell und aufmerksam und lege viel Wert auf Fortbildungen. Das bestätigt auch Schulleiter Wagner. „Der Schulrat reagiert sofort, wenn es Probleme gibt, und steuert zum Beispiel gleich nach, wenn Lehrerstellen fehlen.“
Festplatte mit Unterrichtsmaterial
„Und Sie sind jetzt der beste Lehrer?“, fragt ein Schüler nach der Stunde. Ach nein, so möchte er das gar nicht sehen, obwohl er sich natürlich über die Auszeichnung freut. „Hier an der Schule stimmt es einfach, da wird es mir auch leicht gemacht. Die Schüler sind toll, die Kollegen leisten hervorragende Arbeit und sind kooperativ.“ Gleich am ersten Tag seines Referendariats, das er auch am Herder-Gymnasium absolvierte, habe ihm ein Kollege eine Festplatte in die Hand gedrückt mit Unterrichtsmaterialien aus acht Jahren – „so etwas ist nicht überall selbstverständlich“.
Als der Unterricht zu Ende ist, werden noch die Hausaufgaben verteilt. Das nächste Mal wird es ernst mit der Videobotschaft, dann wollen sie richtig drehen. Jetzt sollen die Schüler noch mal an ihren Aufnahmen feilen und üben, nicht zu kichern und „Ähms“ zu vermeiden. An einem Handy stimmt etwas mit der Tonqualität nicht. Das wird Heinrichs Hausaufgabe, „that's my job“, sagt der frühere Tontechniker. Und dann wird es spannend: Ob Neil Young wohl antwortet?