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Im Probejahr gescheitert: Eine Schule nur für Rückläufer

Tempelhof-Schöneberg will bis zu 100 Schüler, die im Probejahr scheiterten, an einem leer stehenden Standort zusammenfassen.

Zu einem radikalen Schritt hat sich der Bezirk Tempelhof-Schöneberg entschieden: Bildungsstadträtin Jutta Kaddatz (CDU) will alle 75 bis 100 Kinder ihres Bezirks, die das Probejahr an ihren Gymnasien nicht geschafft haben, in einem fast leer stehenden Schulgebäude in Alt- Tempelhof zusammenfassen, weil alle Sekundarschulen des Bezirks voll sind. Dies bestätigte sie auf Anfrage.

Die Entscheidung fiel erst vor wenigen Tagen: Lange hatte der Bezirk nach Alternativen gesucht. Zuletzt hieß es, die Klassen sollten – quasi als Außenstellen benachbarter Sekundarschulen – auf das Askanische und das Robert-Blum-Gymnasium verteilt werden. Diese Variante sei aber verworfen worden, berichtet Kaddatz. Jetzt prüfe sie wegen des allgemeinen Mangels an Schulplätzen, ob an dem Standort Alt-Tempelhof nicht eine ganz neue Sekundarschule entstehen könne.

Bei dem Standort handelt es sich um das ehemalige Gebäude einer der ehemals besten Hauptschulen der Stadt: Die Werner-Stephan-Schule hatte sich eigentlich aus eigener Kraft zu einer Sekundarschule entwickeln wollen, musste aber mit einer Realschule fusionieren. Ihr Gebäude sei zu klein für eine Sekundarschule, hieß es damals. Die Folge war, dass zwei sehr unterscheidliche Schulen und Kollegien zusammenfinden mussten, was mit allergrößten Schwierigkeiten verbunden war (wir berichteten). Die daraus entstandene Sekundarschule Ringstraße sei aber „auf einem guten Weg“, betont Kaddatz, was in der Schule auch nicht bestritten wird. Dennoch ist man an der Fusionsschule fassungslos darüber, dass eine funktionierende Schule zerschlagen worden war, und jetzt mühselig mit dem Aufbau einer neuen begonnen werden soll. „Ich versuche, darüber gar nicht nachzudenken“, sagt denn auch Hannelore Weimar, die Leiterin der Ringstraßenschule und langjährige Lehrerin der Werner-Stephan-Schule. Die Kollegen hätten das Gefühl, „auf die Rolle geschoben worden zu sein“. Kaddatz hingegen betont, dass vor zwei Jahren noch nicht absehbar gewesen sei, wie knapp die Schulplätze würden. Andernfalls hätte der Bezirk die Hermann-Köhl- und Stephan-Schule gar nicht erst zugemacht. Im Übrigen macht sie keinen Hehl daraus, dass sie Rückläuferklassen für „pädagogisch schwierig“ hält.

Die Bildungsverwaltung bemüht sich unterdesssen darum, den Rückläuferklassen ihren Schrecken zu nehmen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) meinte jüngst, diese Klassen hätten doch immerhin den Vorteil, dass die Kinder eine gemeinsame Erfahrung teilten. Hingegen werden die Lehrer nicht müde, die Zusammenballung dieser Kinder als „pädagogische Katastrophe“ zu bezeichnen. „Solche Klassen machen Stress und sind eigentlich nicht beschulbar,“ lautet das Urteil von Reiner Haag, Lehrer der ehemaligen Werner-Stephan-Schule. Mehr als sechs schwierige Schüler könne eine Klasse kaum bewältigen. Seine Kollegen fühlten sich angesichts der Bezirkspläne „verhöhnt und vom Schulträger um die Früchte ihrer Arbeit betrogen“.

Kaddatz hingegen spricht von einer „zweiten Chance“ für die Schüler. Im Übrigen sei sie froh, einen erfahrenen Pädagogen gewonnen zu haben, der sich um den neuen Standort kümmern soll. DemVernehmen nach handelt es sich um den Vize-Schulleiter der ehemaligen Zelter- Hauptschule in Kreuzberg, die ebenfalls zur Fusion gezwungen worden war, weil ihr Standort in der Wilhelmstraße für zu klein gehalten wurde. Organisatorisch angeschlossen werden soll der Standort Alt-Tempelhof zunächst an die Theodor-Haubach-Sekundarschule.

In Berlin haben insgesamt rund 740 Schüler das Probejahr nicht geschafft. Die Mehrzahl von ihnen kommt in rund 20 Rückläuferklassen, weil es keinen anderen Platz in vorhandenen Klassen gibt.

Susanne Vieth-Entus

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