Abi-Feiern: Die Pauschal-Party
Trotz Easy-Abi-Skandals: Die meisten Abiturienten lassen ihre Abschlussfeiern von Agenturen organisieren. Der Doppeljahrgang versprach ein besonders lukratives Geschäft. Worauf man bei der Planung achten sollte.
Mehr als 40 000 Euro verwaltet Marie Gründel für ihre Mitschüler. Die 18-jährige Abiturientin von der Eckener-Oberschule in Tempelhof hat die Abi-Fahrt für ihre rund 170 Klassenkameraden organisiert. 109 Schüler kommen im Juli mit.
Für derart viele Leute eine Reise zu organisieren, ist logistisch so aufwendig, dass Marie die Verantwortung lieber abgab. Wegen des doppelten Abiturjahrgangs sind in den Abschlussklassen bis zu 200 Schüler, im Berliner Durchschnitt sind es 160. Auch ohne Doppeljahrgang entscheiden sich inzwischen fast alle Schüler für Agenturen, die sich um die Bälle und Abi-Fahrten kümmern - trotz des Skandals um Easy Abi im vergangenen Jahr. Die Firma sackte etwa 700 000 Euro ein, richtete die vereinbarten Feiern aber niemals aus. 39 Schulen in Berlin und Brandenburg waren betroffen.
Die Abiturienten dieses Jahres boten wegen des Doppeljahrgangs einen besonders attraktiven Markt. Laut Schulverwaltung gibt es 2012 etwa 16 000 Abiturienten. Sie alle wollen einen unvergesslichen Abi-Ball und eine wilde Abschlussfahrt. Für beides zusammen zahlt ein Doppeljahrgang einer Schule bis zu 100 000 Euro. Gerade werden die Verträge für die Abschlussklasse von 2013 geschlossen. Schüler, die gerade 18 Jahre alt geworden sind, unterschreiben dabei den ersten Vertrag ihres Lebens. Und der handelt meistens von Summen im fünfstelligen Bereich. Solche Kundschaft ist von den Abi-Agenturen hart umkämpft.
Marie fand es ein bisschen seltsam, als plötzlich Agenturmitarbeiter vor der Schule standen. In einer Pause hieß es dann, Marie solle herkommen. „Auf ihren iPads zeigten sie mir Videos mit Ferienangeboten.“ Danach wollten sie Maries Handynummer. Sie hat sich jedoch für einen Jugendreisen-Anbieter entschieden, der seit Jahren im Geschäft ist, und damit bewusst gegen die Abi-Agenturen. „Das erschien mir seriöser“, sagt sie. Den Abi-Ball feiert sie mit ihren Mitschülern im Palais am Funkturm.
Auch die Berliner Agentur Abi2urlaub merkte den verschärften Wettbewerb. Sie organisiert Abi-Fahrten. Mitarbeiter Daniel Schultze sagt: „Anbieter aus Hamburg kamen extra nach Berlin, wegen des Doppeljahrgangs.“ Auch Abi2urlaub ging bis vor die Schulen, um für ihr Angebot zu werben. Wegen der Konkurrenz hat die Firma trotz der vielen Abiturienten im Vergleich zu den vergangenen Jahren weniger Verträge abgeschlossen.
Andreas Lotz, Inhaber der Berliner Eventagentur „Lord of Events“, gefällt dieser Kampf nicht. Auch seine Firma wurde geschädigt, weil sie als Veranstalter für Easy Abi Bälle in den Hotels ausrichten sollte. Für Lotz ist das Problem: „Es gibt kein Geschäft danach, man feiert nur einen Abi-Ball im Leben.“ Das entfache den Kampf um die Schüler jedes Jahr aufs Neue. Der Markt werde von den Agenturen „extrem ausgenutzt“. Schließlich ist es nicht so entscheidend, wie zufrieden der Kunde war.
Lord of Events richtet dieses Jahr ein Dutzend Abi-Bälle aus, deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. „Wir ziehen uns aus dem Geschäft zurück“, sagt Lotz. Trotzdem floss viel Geld: Beim größten Abi-Ball der Agentur werden 1200 Gäste erwartet. „Da steckt viel Geld drin. Eine Karte kostet 40 bis 50 Euro“, sagt Lotz. Er hat nicht den Eindruck, dass die Schüler jetzt vorsichtiger sind. Geändert habe sich jedoch, dass zu den ersten Treffen auch Schulleiter, Lehrer und Eltern erscheinen. Sie interessieren sich deutlich mehr für die Vertragsbedingungen.
Der Fall um Easy Abi zieht sich weiter hin. Ein Verantwortlicher war nicht leicht ausfindig zu machen, denn die Firma war nach Abschluss der Verträge verkauft worden. Der ehemalige und der neue Geschäftsführer, David H. und Rainer S., waren zunächst verhaftet, doch unter Meldeauflagen wieder freigelassen worden. Die Polizei beschlagnahmte 360 000 Euro auf verschiedenen Konten. Rechtsanwalt Karun Dutta, der sieben Schulen im Fall gegen Easy Abi vertritt, hat nach rund einem Jahr Akteneinsicht in die Ermittlungen erhalten. Es sind zwei Umzugskartons. Jetzt wird auf die Anklage der Staatsanwaltschaft gewartet. Damit die Schüler sich weiter Hoffnung machen können, das Geld zurückzubekommen, muss sie auf Betrug lauten.
Dutta hat seit dem vergangenen Jahr viele enttäuschte Schüler erlebt. Er äußert Verständnis dafür, dass sie nach zwölf oder 13 Jahren Schule eine große Sause wollen. „Sie müssen ja nicht bei Würstchen und Brot in der Aula sitzen“, sagt er. Da ginge es um den symbolischen Akt. Allerdings sollten Eltern und Lehrer dafür sorgen, dass die Schüler ein paar wichtige Grundregeln kennen. Marie hat mit ihrer Entscheidung ein gutes Gefühl. Sie hat sich auch von ihrem Vater beraten lassen. Im Juli geht es dann zu hundertneunt für eine Woche in den spanischen Badeort Calella.