Schule: Der Einstein-Effekt
Internate sind stark nachgefragt – auch, weil die Fernsehserie „Schloss Einstein“ so erfolgreich ist
Auf Schloss Einstein wird seit 649 Folgen gelernt und gefeiert, gelacht und geheult, geliebt und gestritten. Schloss Einstein, ein Internat in einem fiktiven brandenburgischen Dorf, ist Ort der gleichnamigen Serie, die seit 1998 im Kinderkanal läuft. Auch weil die Serie so erfolgreich ist, vermutet Burkhard Ost, Leiter der Schulfarm Insel Scharfenberg im Tegeler See, erlebe er derzeit einen kleinen Ansturm auf seine Schule. „Seit etwa einem Jahr melden sich immer mehr Mädchen aus Reinickendorf bei uns im Internat an“, erzählt er. Sie könnten zu Fuß zum Gymnasium kommen. „Aber sie wollen unbedingt im Internat leben.“
Die Schulfarm Scharfenberg ist eines von zwei Internaten in der Hauptstadt. Das zweite ist die Königin-Luise-Stiftung (KLS) in Dahlem, die in diesem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen feiert. Die Schulfarm Scharfenberg ist ein staatliches Gymnasium, zur privaten Königin-Luise-Stiftung gehören eine Grund-, eine Sekundarschule und ein Gymnasium. Was staatliche und private Einrichtung gemeinsam haben: Die Nachfrage steigt. Vor allem Eltern aus Berlin und dem Umland schicken ihre Kinder in Berlin aufs Internat. „Internatsleben wird wieder schicker“, sagt Ost. Aber vor allem suchen viele Eltern einen Ort, an dem sie ihr Kind gut aufgehoben wissen.
Viele Eltern sind Ost zufolge alleinerziehend und wollen stärker in den Beruf einsteigen. „Von 57 Schülern in unserem Internat haben 38 alleinerziehende Eltern“, sagt auch Jens Stiller, Leiter des Gymnasiums der Königin-Luise-Stiftung. Ein Vorteil des Lebens im Internat: Der Alltag ist strukturiert, die Kinder sind fast immer unter Aufsicht. Es gibt Hilfe bei den Hausaufgaben, festgelegte Weck- und Schlafenszeiten – und nur ein- bis zweimal pro Woche Ausgang.
Auch wenn keine Glocke schrillt: Um 6.30 Uhr ist die Nacht im Internat der KLS zu Ende. Die Frühdienstmitarbeiter wecken alle Schüler persönlich – wer beim ersten Mal nicht aufwacht, bekommt ein zweites Mal Besuch. Um sieben Uhr gibt es Frühstück im Speisesaal, bis dahin müssen alle wach sein. Bei Angelo reicht ein Klopfen aus, und er ist fit. „Ich bin immer sofort wach“, sagt der 17-Jährige, der schon seit sieben Jahren im Internat lebt.
Wie die meisten seiner Mitbewohner ist Angelo auf Beschluss des Jugendamts in der Königin-Luise-Stiftung. Die Stiftung ist als Jugendhilfeeinrichtung anerkannt. Deshalb übernimmt laut Internatsleiterin Heidi Kong bei etwa 80 Prozent der Bewohner auch das Jugendamt die Kosten. Angelo erzählt, er habe Probleme, sich zu konzentrieren. Das sei viel besser geworden, seit er im Internat lebe. „Ich habe so viel gelernt, wofür ich dankbar bin“, sagt er. Im vergangenen Jahr musste er die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss dennoch abbrechen. Jetzt bekommt er Einzelunterricht und startet einen neuen Anlauf. Schafft er es, möchte er auch Abitur machen und später vielleicht Psychologie studieren. „Mich fasziniert Carl-Gustaf Jung“, sagt der 17-jährige Schüler.
In der Königin-Luise-Stiftung sind Erzieher und Sozialpädagogen rund um die Uhr ansprechbar. Im Internat teilen sich maximal zwei Kinder ein Zimmer. Und im Klassenzimmer sitzen Kinder aus schwierigen Familien neben Töchtern und Söhnen wohlhabender Eltern, die sich das Schulgeld für Externe leisten können und ihre Kinder wegen der kleinen Klassen – maximal 23 Schüler – anmelden. „Diese Mischung ist etwas Besonderes“, sagt Jens Stiller. „Wir wollen keine reine Eliteschule sein.“ Tatsächlich zählen die meisten Eltern der Externen zu den Besserverdienenden. Konflikte zwischen „arm“ und „reich“ würden nicht ausbleiben, berichten manche Schüler.
Während die Jugendhilfe in der Königin-Luise-Stiftung zum Konzept gehört, ist sie auf der Insel Scharfenberg die Ausnahme. Burkhard Ost zufolge ist derzeit von 70 Internatsschülern nur eine Schülerin auf Beschluss des Jugendamts dort, alle anderen Eltern zahlen die monatliche Gebühr. Trotz der Kosten hat Ost mehr Bewerber als Plätze. „Im Internat wären sogar noch Plätze frei“, sagt er. Aber die Klassen seien voll – und für zusätzliche Klassen sei auf der Insel kein Platz.
Auch das Gymnasium der KLS platzt aus allen Nähten. Schulleiter Jens Stiller hatte in diesem Frühjahr 150 Anmeldungen – für maximal 40 Plätze.
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