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Michael Rudolph, 65, leitet seit 2005 die Friedrich-Bergius-Sekundarschule in Friedenau. Vorher arbeitete er jahrzehntelang als Hauptschullehrer und -rektor in Kreuzberg.
© Thilo Rückeis

Berliner Schulleiter: „Dann können wir die Schule abschaffen“

Die Friedrich-Bergius-Schule gilt als erfolgreichste Sekundarschule Berlins. Und trotzdem fiel sie bei der Schulinspektion durch. Rektor Rudolph hält seinen Weg für richtig.

Neun Jahre in Folge übernachgefragt – und das ohne gymnasiale Oberstufe: Die Friedrich-Bergius-Schule gilt als eine der erfolgreichsten Sekundarschulen Berlins. Dennoch fiel sie kürzlich bei der Schulinspektion durch. Darüber sprachen wir mit Schulleiter Michael Rudolph.

Die Schulinspektion wirft Ihnen vor, Sie hätten ihr Schulprogramm und die Unterrichtsentwicklung vernachlässigt und außerdem gegen rechtliche Vorgaben verstoßen. Wie geht es weiter?

Die beklagten Rechtsverstöße haben wir nach der Beanstandung abgestellt. Fehler kann jeder machen, Schüler zu guten Leistungen zu führen, dauert allerdings deutlich länger. Die Frage nach den Rechtsverstößen lenkt von dem entscheidenden Punkt ab: Warum ist bei einer Inspektion die erreichte Leistung der Schüler egal? Das war schon bei der Inspektion 2012 so. Hier liegt die Erklärung, warum Berlin bei Vergleichsstudien immer auf den letzten Plätzen landet: Leistung ist unwichtig. Und Disziplin und Ruhe und Konzentration im Unterricht sowieso. Gerade Schüler aus benachteiligten Familien leiden darunter besonders.

Ihre Kritiker beharren darauf, die Inspektoren hätten in Sachen Personaleinsatz einen „Sumpf“ vorgefunden. Zu den Rechtsverstößen, die man Ihnen vorwirft, gehört, dass Lehrer zu wenig reguläre Stunden erteilten, um mehr Vertretungsunterricht geben zu können. Oder dass Schüler weniger Unterricht als vorgeschrieben hatten.

Mit dem Begriff „Sumpf“ würde ich vorsichtig sein. Angesichts von überdurchschnittlichen Schülerleistungen und einer jahrelangen Übernachfrage trotz einer Personalausstattung von aktuell nur 95 Prozent könnte man auf die Idee kommen, dass die Schule sehr vieles richtig gemacht haben könnte.

Wer Inspektoren fragt, warum sie eine Schule trotz guter Schülerleistungen durchfallen lassen, bekommt zur Antwort, dass die Leistungen nur zu 30 Prozent von der Schule abhänge, der Rest von der Begabung und vom Elternbemühen.

Wenn es so wäre, könnten wir die Schule abschaffen. Die Sozialdaten unserer Schule sprechen eine andere Sprache. Ich empfehle einen Blick in die Schülerakten. Von den Kritikern hat sich niemand vor Ort informiert. Wenn man unseren Schulalltag betrachtet, kann man auf den Eindruck einer guten Schülerschaft kommen. Wie viel Mühe und Einsatz dazu aber gehört, wird nicht zur Kenntnis genommen. Realistisch betrachtet sind wir eine Hauptschule.

Inwiefern?

Wir sind von Anbeginn im Bonusprogramm. Von den Anmeldern kann ein Drittel die Aufgabe 3 x 9 nicht lösen. Bei anderen Kenntnissen und Fertigkeiten ist es ähnlich. Uns verbleiben nur vier Jahre um zu versuchen, diese Defizite aufzuarbeiten. Dennoch erreicht etwa die Hälfte unserer Absolventen die Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe. Ich kann nur immer wieder mahnen, dass Schule den Schülern gründliches Wissen und Können vermitteln muss und dazu ein gemeinschaftsverträgliches Sozialverhalten. Solange das bei der Beurteilung einer Schule egal ist – Originalton des Inspektors 2012! – wird sich nichts verbessern. Die heutigen Schüler werden später einmal unsere Generation dafür zur Verantwortung ziehen.

Kritisiert wird von der Schulinspektion zudem, dass Entwicklungsprozesse nicht funktionierten. Es sei alles so organisiert, dass nach Ihrer Pensionierung die Schule nicht mehr funktionieren werde, weil sie „autokratisch“ geführt werde.

Wie sich die Schule nach meinem Weggang entwickeln wird, ist reine Spekulation. In jedem Fall hängt die Entwicklung einer Schule von der Leitungsperson ab. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen und kann in der Realität leicht überprüft werden.

Junge Schulleiter berichten, dass sie Sie im Landesinstitut für Schule und Medien als Praxisexperten kennengelernt haben. Treten Sie regelmäßig da auf?

Ja, das mache ich seit Jahren – seit es diese Kurse für Lehrer gibt, die das Amt des Schulleiters anstreben. Die Termine für das nächste Schuljahr habe ich schon. Ich bin übrigens der einzige Schulleiter, der zu allen Kursen verpflichtet wurde. Andere Bausteine werden von wechselnden Schulleitern betreut. In meinem geht es um den Umgang mit Problemen.

Was macht man im Urlaub, wenn man kurz vorher erfahren hat, dass die Lebensleistung von den Schulinspektoren letztlich nicht gewertschätzt wurde?

Ich habe mich bei unter 25 Grad in der Bretagne gut erholt und nebenbei einen Auszug aus dem Insepktionsbericht gefertigt. Denn der enthält ja nicht nur Negatives sondern auch viel Positives. Diesen Auszug werden wir für die Außendarstellung verwenden. Dann werden wir abwarten, welche der zahlreichen Sekundarschulen ohne gymnasiale Oberstufe uns von der Schulaufsicht als Vorbild für unsere weitere Entwicklung empfohlen wird. Außerdem bin ich gespannt, wie die Senatsverwaltung für Bildung der Öffentlichkeit erklären wird, dass in Berliner Schulen die erreichte Leistung unwichtig ist.

Hier gibt es den Brandbrief der GEV als PDF zum Download.

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