Europaschulen: Bis zum Abschluss hält kaum einer durch
Berlins Europaschulen gelten als Erfolgsmodell – mit erheblichen Schwächen. Nur ein Bruchteil der Schüler macht auf den bilingualen Schulen einen Abschluss, die meisten wechseln vorher.
Berlins Europaschulen sind ein Erfolgsmodell – allerdings mit erheblichen Schwächen. Zu diesem Ergebnis kommt nach 17-jährigem Schulversuch der Abschlussbericht der Bildungsverwaltung, der dem Tagesspiegel vorliegt. Als Hauptproblem wird die hohe Fluktuation der Schülerschaft genannt. Nur ein Bruchteil der über 6000 Schüler halten bis zum Mittleren Schulabschluss oder Abitur durch. Die Schulen selbst kritisieren den Senat dafür, dass er ihnen die Vorklassen und damit die „Basis“ genommen habe.
Der Abschlussbericht würdigt das Berliner Modell „grundsätzlich“ als zukunftsweisendes, erfolgversprechendes Konzept, „das in einzigartiger Konsequenz bilinguale Ausbildung in Verbindung mit interkulturellem Lernen umsetzt“. Auch international werde es gewürdigt.
Zu den Problemen der „Staatlichen Europaschule Berlin“ (SESB), wie das Modell heißt, gehören auch die großen Unterschiede bei der Akzeptanz der einzelnen Sprachen. Während bei den beliebten Sprachen sogar gelost werden muss, reicht etwa bei Griechisch die Nachfrage nicht aus, um die Klassen an zwei Standorten zu füllen. Das sei „keine dauerhaft tragfähige Lösung“, urteilt die Verwaltung und will prüfen, ob der Standort in Prenzlauer Berg entfallen kann.
Auch bei der russisch orientierten Lew-Tolstoi-Schule in Lichtenberg gibt es Probleme. Hier wechseln so viele Viertklässler in ein Gymnasium, dass zwei vierte Klassen schon mal zusammengelegt werden mussten. Das ist aber nicht das einzige Problem: Von Anfang an fehlt es an deutschen Muttersprachlern, die an dem Modell eigentlich zur Hälfte beteiligt sein sollen. Eine Ursache sieht die Schule im Wegfall der Vorklassen, in denen die deutschen Kinder russische Grundkenntnisse erwerben konnten.
Auch andere SESB-Grundschulen beklagen bis heute den Wegfall der Vorklassen im Jahr 2005. Die bilingualen Kitas hätten diesen Verlust nicht kompensieren können, heißt es. „Die Vorklasse hatte gerade den deutschen Familien Sicherheit gegeben bei der Entscheidung, ob ihr Kind für das Modell geeignet ist“, sagt etwa Demet Siemund von der deutsch-türkischen Aziz-Nesin-Grundschule. Uwe Blachnick von der griechisch-orientierten Homer-Grundschule sieht im Aus für die Vorklassen sogar den entscheidenden Grund für den Nachwuchsmangel.
Mit großen Problemen haben auch die französischen Europaschulen zu kämpfen. Hier ist die Nachfrage anfangs sehr groß, allerdings wechseln viele Kinder zum Französischen oder zum Romain- Rolland-Gymnasium. Dieses Jahr gab es deshalb nur 20 französische SESB-Abiturienten. In anderen Sprachen sieht es nicht viel besser aus.
Angesichts der geringen Nachfrage im Oberschulbereich empfiehlt Özcan Mutlu (Grüne), die kleinen Sprachen an „Europaschulzentren“ zusammenzufassen. Dies lehnt die Koalition ab. Zudem ist er mit seinem Antrag gescheitert, die Europaschulen im Schulgesetz zu verankern. Dies hatte der Schulausschuss einstimmig beschlossen, die Verwaltung hält es aber nicht für notwendig. Dies sei „ungeheuerlich“, urteilt Mutlu. Er kritisiert zudem, dass die ausländischen Lehrer der Partnersprachen jahrelang schlechter bezahlt wurden. Dies habe zu einer hohen Lehrer-Fluktuation geführt, was im Abschlussbericht zugegeben wird.
Alle Probleme sollten jetzt wissenschaftlich ausgewertet werden, empfiehlt die Bildungsverwaltung. Anschließend müsse man „mutige Entscheidungen über konzeptionelle Konsequenzen“ treffen. Susanne Vieth-Entus
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