Doppelabitur: 1400 Schüler nahmen zweiten Anlauf
In diesem Jahr gibt es rund 50 Prozent mehr freiwillige Rücktritte vom Abitur. Noch nie haben so viele Schüler das Handtuch geworfen wie in diesem Doppeljahrgang. Am Donnerstag beginnen die Prüfungen.
Ein erheblich dezimierter Doppelabiturjahrgang geht jetzt in den Endspurt: Wenn am Donnerstag die ersten mündlichen Präsentationen beginnen, sind nach Tagesspiegel-Informationen rund 1400 Schüler nicht mehr dabei: Sie ließen sich vergangenes Jahr freiwillig zurückstellen oder gaben im Januar nach dem dritten Prüfungssemester auf. Zusätzlich rechnen die Gymnasien damit, dass Anfang nächster Woche noch weitere Schüler ihren Rücktritt bekannt geben, sobald alle Zensuren aus dem vierten Semester feststehen. Es endet am Freitag, dem letzten Unterrichtstag für die Abiturienten.
Schon jetzt ist klar, dass noch nie so viele Schüler das Handtuch geworfen haben wie in diesem Doppeljahrgang, der wegen der Verkürzung des Abiturs auf zwölf Jahre entstanden war. Nach Angaben der Bildungsverwaltung liegt die bisher ermittelte Wiederholerquote bei acht Prozent. In den Vorjahren hatten sich jeweils nur vier bis sechs Prozent zurückstellen lassen, um im zweiten Anlauf bessere Noten zu bekommen oder um die Wahl der Prüfungsfächer zu korrigieren: Wer – etwa in den Leistungskursen – schlechter als erwartet abgeschnitten hat, muss das erste Oberstufenjahr wiederholen, um die Leistungskurse in einem anderen Fach belegen zu können.
Noch handelt es sich aber um eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Fest steht bisher nur, dass 1340 Schüler im Sommer 2011 zurücktraten. Sie machen die genannten acht Prozent aus. Wie viele dann im Januar diesen Schritt nachholten oder aktuell mit den Gedanken spielen, ist noch nicht bekannt.
„Im Januar waren es nur wenige. Wie viele jetzt noch folgen, lässt sich nicht prognostizieren“, heißt es etwa im Buckower Leonardo-da-Vinci-Gymnasium. Im Sommer 2011 hatten immerhin 40 Schüler freiwillig den Rückwärtsgang eingelegt: 30 aus dem Turbojahrgang und immerhin zehn aus dem älteren Jahrgang, der letztmals 13 Jahre Zeit bis zum Abitur hat. „Die meisten treten zurück, weil sie bessere Leistungen wollen“, sagt Schulleiter Michael Frank.
Um zu verhindern, dass Schüler die falschen Leistungskurse wählen und deshalb ein ganzes Jahr wiederholen müssen, hat das Rückert-Gymnasium in Schöneberg auf Information gesetzt: Die Zehntklässler erhielten die Gelegenheit, in Leistungskurse hineinzuschnuppern, berichtet Direktor Jörg Balke. In seiner Schule gab es zwar auch mehr Rücktritte als sonst, aber nicht so viele wie andernorts. Balke erklärt dies auch damit, dass die jüngeren und älteren Schüler in getrennten Kursen unterrichtet wurden. So habe man besser auf die unterschiedlichen Voraussetzungen eingehen können.
Andere Schulen berichten hingegen, dass sie mit der Mischung der beiden Jahrgänge gute Erfahrungen gemacht hätten. „Die Schüler gleichen sich schnell an“, ist die Erfahrung von Ralf Treptow, dem Direktor der Pankower Rosa-Luxemburg- Schule. Er hat 190 Schüler im diesjährigen Abitur, aber es gab nur rund 20 Rücktritte. Im Januar nach dem Zwischenzeugnis sei niemand ausgeschieden, und auch jetzt gebe es noch keine Anzeichen, dass noch jemand zurücktritt. Als Verbandschef der Oberstudiendirektoren betont Treptow, dass es zwei schwierige Jahre gewesen seien – für Lehrer, Schüler, Schulleiter und Pädagogische Koordinatoren.
Erfahrung mit großen Abiturjahrgängen hat auch Detlef Schmidt-Ihnen. Sein Barnim-Gymnasium in Falkenberg musste im Jahr 2006 rund 300 Abiturienten verkraften, weil es zuvor mit der Stauffenberg- und der Descartes-Schule fusioniert worden war. Dieses Jahr hat die Barnim-Schule immer noch rund 200 Prüflinge, während der Berliner Durchschnitt im jetzigen Doppeljahrgang bei 160 Schülern pro Gymnasium liegt. Schmidt-Ihnen erwartet keine größeren organisatorischen Probleme bei der Fülle der Prüfungen, nachdem sein Kollegium schon mal die genannten 300 bewältigt hatte.
Ob sich die Leistungsunterschiede zwischen den beiden Jahrgängen im Laufe der Oberstufe verwischt haben – darüber gibt es verschiedene Einschätzungen, aber noch keine belastbaren Daten. „Am Anfang hatten die älteren Schüler einen Vorteil, aber das hat sich ziemlich gut angeglichen“, beobachtet Eberhard Kreitmeyer vom Charlottenburger Gottfried-Keller-Gymnasium.
Der ehemalige Landesschülersprecher Jonas Botta ist sich da nicht so sicher. Er gehört im Doppeljahrgang zu den älteren Schülern, die noch 13 Jahre Zeit hatten, und hat den Eindruck, dass die jüngeren Schüler bis zum Schluss benachteiligt waren, weil ihnen die elfte Klasse fehlte. Botta kann sich vorstellen, dass die Unzufriedenheit der Jüngeren wieder hochkocht, wenn erst mal die Zensuren feststehen, und der Kampf um die knappen Studienplätze entbrennt.