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Beim Essen kommt man sich näher. Die Idee ist so erfolgreich, dass es jetzt auch Gruppen in anderen deutschen Städten gibt.
© Privat

Gemeinsame Sache in Tempelhof-Schöneberg 2016: Schöneberg: Integration mit Kochlöffel und Schneebesen

Kennenlernen geht am besten beim Essen, dachte sich der Verein „Über den Tellerrand“. Auf schmackhafte Weise zeigen Flüchtlinge, was sie den Berlinern zurückgeben können.

Es wird gerührt, gebraten, gewendet und angerichtet: Mitten auf der Schöneberger Insel in der Roßbachstraße 6 befindet sich hinter großen Fensterscheiben ein geräumiges Ladenlokal mit hölzerner Küche. Darin ein zentrierter Herd samt großer Arbeitsplatte, gestapelten Töpfen und Kräuterzucht. Das „KitchenHub“ ist gleichermaßen Herzstück und Zuhause des Vereins „Über den Tellerrand“ – wobei der Tellerrand tatsächlich ziemlich weit gefasst ist. Neben regelmäßigen Kochkursen und Treffen – auch abseits der Küche – bietet „Über den Tellerrand“ am 9. September ebenfalls einen Workshop beim „Aktionstag für ein schönes Berlin“ an und stattet zudem mit dem Projekt „kitchen on the run“ dem Bundespräsidenten einen Besuch in dessen Vorgarten ab.

„Es sind vor allem die zwischenmenschlichen Begegnungen auf Augenhöhe, die uns wichtig sind“, erzählt Linda Gummlich, eine von sechs Mitarbeitern bei „Über den Tellerrand“. „Das geht durchs Kochen ziemlich schnell.“ Ob Chingalsch aus Tschechien, Ogbono Coup aus Nigeria oder auch Kabul Plato aus Afghanistan: Die Gerichte bei den Kochkursen sind so international und vielfältig wie die Köche, die sie zubereiten. Denn hier agiert der Geflüchtete als Kursleiter und Gastgeber für Beheimatete und demonstriert, wie die Speisen seiner heimischen Landesküche schmecken.

Zwar steht der Herd bei den Kursen zunächst im Mittelpunkt, doch ist der Leitgedanke der Organisation viel weiter gefasst: Grenzen, Vorurteile oder Ängste sollen hierbei kulinarisch überwunden werden. Ob langjähriger Berliner oder Neuankömmling: Jeder ist willkommen und vor allem eingeladen, den Tellerrand mit zu gestalten, zu erweitern und bestenfalls selbst aktiv zu werden. „Uns geht es um den Aufbau eines Netzwerks des Austauschs und der gegenseitigen Hilfe“, erzählt Gummlich. Ziel sei es, hiermit eine nachhaltige Integration zu schaffen. „Kochen ist eine der wenigen Schnittstellen, wo die Leute sehr offen sind“, sagt sie. „Dadurch, dass Leute unsere Kurse schön finden und wiederkommen, werden Netzwerke und unsere Community immer größer.“

Über den Tellerrand wurde 2013 im Rahmen eines Wettbewerbs der Freien Universität Berlin von vier Studenten gegründet. Was mit Kochkursen auf dem Oranienplatz in Kreuzberg und einem Kochbuch anfing, umfasst inzwischen einen Verein, eine GmbH wie auch eine internationale Community. Sie selbst sehen sich in erster Linie als Organisation. Am 5. September erscheint bereits das dritte Kochbuch. „Eine Prise Heimat“ soll es heißen und mehr als 40 Rezept-Fusionen beinhalten, die aus zwölf Kochbegegnungen zwischen Spitzenköchen und Flüchtlingen entwickelt wurden. Mit dem Verkauf sollen wiederum die eigenen sozialen Projekte unterstützt werden. Denn die meisten Kochkurse sind kostenlos und werden mit Hilfe dieser Einnahmen finanziert. Andere Kochkurse wiederum sind auf etwa 20 Teilnehmer beschränkt und kostenpflichtig.

Ein Stammtisch, bei dem Aktionen für den Folgemonat besprochen und Ideen entwickelt werden, findet monatlich statt. „Letztes Wochenende war das beispielsweise ein Ausflug, bei dem wir gemeinsam Obst gepflückt haben“, erklärt Gummlich. Montags findet außerdem immer ein Sprachkurs statt, donnerstags das Teen-Kochen und freitags das Frauen-Kochen – um nur einen Teil des umfangreichen Kursangebots aufzuzählen. Einmal im Monat widmet man sich einem einzigen Lebensmittel, in dem die zahlreichen internationalen Möglichkeiten der Zubereitung ausprobiert werden sollen. Da dreht sich dann beispielsweise alles um die Tomate: „50 shades of … Tomaten“ nennt sich das Ganze dann. Daran teilnehmen können nach vorheriger Anmeldung etwa 50 Leute.

Beim „Aktionstag für eine schöneres Berlin“ wird auch „Über den Tellerrand“ einen Workshop anbieten. Und natürlich: Auch hier stehen die Menschen und die internationale Küche im Mittelpunkt. Gemeinsam soll hier Kimchi – so nennt sich das Fermentieren von Gemüse in der koreanischen Küche – erlernt werden. Die Leiterin des Workshops, Linda Choi, lädt hierzu 20 Geflüchtete wie auch Beheimatete ein und soll die Teilnehmer mit Tipps rund um das Einlegen von Lebensmitteln versorgen. Um vorherige Anmeldung über die Homepage www.ueberdentellerrand.org wird gebeten.

Wie sich der Verein und seine Ideen rund ums Thema Integration ständig weiterentwickeln, zeigt außerdem die Aktion „kitchen on the run“. Hier dreht sich alles um einen Überseecontainer, der im März von 20 Architekturstudenten zu einer mobilen Küche ausgebaut wurde. Etwa 6000 Kilometer und fünf Monate später haben hier bereits 2000 Menschen aus 65 Nationen zusammen kulinarische Kreationen gezaubert und vor allem: Sich interkulturell ausgetauscht.

Seit Mitte August ist der Container nun wieder zurück in Berlin und steht derzeit in den Ministergärten vor der Hessischen Landesvertretung. Bis zum 7. September soll hier gemeinsam gekocht werden. Außerdem kann der Container für eigene Events gemietet werden. Anmelden kann man sich dazu unter www.kitchenontherun.org.

Anlässlich des Bürgerfestes im Garten von Schloss Bellevue am 9. und 10. September, wird der Container dann von Bundespräsident Gauck genauestens inspiziert: Neben einer kurzen Präsentation, soll natürlich auch hier der Kochlöffel geschwungen werden. Ein geflüchteter Koch soll zusammen mit bis zu 15 Teilnehmern die Vorspeise zubereiten, bevor anschließend die restlichen zwei Gänge serviert werden sollen. „Über den Tellerrand“ ist folglich das beste Beispiel, dass Integration nicht nur nachhaltig, sondern auch ziemlich schmackhaft sein kann.

Merle Collet

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