Studie der FU: Schlechtes Zeugnis für Berliner Grundschulen
Eine Studie der FU belegt, was viele Eltern und Lehrer längst befürchtet haben: Die Leistungen Berliner Grundschüler sind offenbar rückläufig. Die Forscher kritisieren vor allem Früheinschulungen und das Jahrgangsübergreifende Lernen.
Seit Einführung der früheren Einschulungen und des Jahrgangsübergreifenden Lernens (JüL) haben sich die Leistungen der Berliner Grundschüler in den Fächern Deutsch und Mathematik verschlechtert. Was viele Eltern und Lehrer längst befürchtet haben, bestätigt jetzt eine Studie des FU-Erziehungswissenschaftlers Hans Merkens. Demnach haben vor allem in Mathematik mehr Kinder als früher Probleme. Verschlechtert hat sich die Situation besonders bei Kindern mit Migrationshintergrund, die von ihren Familien nicht beim Lernen unterstützt werden, und für Kinder aus Gebieten mit hoher sozialer Belastung. Für die Studie hat das Team um Merkens die Leistungen Berliner Grundschüler aus den Jahren 2002 bis 2006 mit denen aus 2007 bis 2009 verglichen.
Merkens führt die Ergebnisse zum einen darauf zurück, dass das Einschulungsalter im Jahr 2005 um ein halbes Jahr vorverlegt wurde. Berliner Erstklässler sind deshalb jünger als im Bundesdurchschnitt. Zum anderen hat offenbar das Jahrgangsübergreifende Lernen, bei dem Kinder der ersten und zweiten Klassen gemeinsam unterrichtet werden, negative Effekte. Es erfordert von den Lehrern, auf Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen individuell eingehen zu können. „Für diese Aufgabenstellungen sind die Lehrkräfte nicht angemessen vorbereitet worden“, sagt der Erziehungswissenschaftler. Es habe seit der Grundschulreform keine ausreichende Personalentwicklung stattgefunden
Die Veröffentlichung der Studie zum jetzigen Zeitpunkt ist überraschend. Zu Schuljahresbeginn im August hatten Eltern und Fachleute die Früheinschulung erneut kritisiert. Damals legte der Tagesspiegel offen, dass es nie eine wissenschaftliche Evaluation über die Auswirkungen der Maßnahme gegeben hat. Merkens hat aber nun die Datensätze zweier vorhandener Studien verglichen und daraus seine Schlüsse abgeleitet.
Bildergalerie: Ob JüL funktioniert, hängt von der Klasse ab:
Die Bildungsverwaltung war über das Erscheinen und die Ergebnisse der Studie am Donnerstag noch nicht informiert. Senatorin Sandra Scheeres (SPD) könne dazu erst Stellung nehmen, wenn sie die Studie sorgfältig geprüft habe, sagte ihre Sprecherin Beate Stoffers.
Die Zahl der Familien, die ihr Kind lieber um ein Jahr zurückstellen lassen, als es bereits mit fünfeinhalb in die Schule zu schicken, ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass ihr Kind zu jung und deshalb im Unterricht überfordert sei. Im Jahr 2011 galt dies für knapp 2300 Kinder. Auch der Anteil der Kinder, die für die Schulanfangsphase drei statt zwei Jahre brauchen, ist im Vorjahr auf 16 Prozent stiegen, was 3800 Kindern entspricht. Berlin ist das einzige Bundesland, in dem Kinder bereits im Sommer eingeschult werden müssen, wenn sie erst Ende Dezember ihr sechstes Lebensjahr vollenden.
Das Jahrgangsübergreifende Lernen ist inzwischen von vielen Grundschulen wieder abgeschafft worden, nachdem der Senat die Verpflichtung gelockert hatte. „Das erzeugte zu viel Unruhe in den Gruppen“, sagt eine Lehrerin an einer Kreuzberger Grundschule. Jahrgangsübergreifender Austausch könne stattdessen bei gemeinsamen Projekten und Sport hergestellt werden.