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"Alles soll wieder normal sein" steht als Wunsch auf einem Blatt am Zaun einer Kita.
© dpa

Giffey-Vorschlag zur Öffnung: Scheeres will Kita-Ampel in Berlin prüfen – Kritik von CDU und Grünen

Können Kitas in Berlin schon bald mit einem Ampelsystem wieder öffnen? Der Vorschlag von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist umstritten.

Die sinkenden Coronazahlen in Deutschland lassen vor allem Eltern von einer langsamen Rückkehr zur Normalität träumen. Wie Lockerungen aber konkret aussehen könnten, darüber wird in Bund und Berliner Senat heftig gestritten. So stößt auch der Vorschlag von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), Kitas ab 14. Februar komplett zu öffnen und den Betrieb mit einem Ampelmodell zu regulieren, auf Gegenwind.

"Ich würde mir weniger Show wünschen und mehr Taten", sagt Dirk Stettner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Das schlimmste für Eltern ist die fehlende Planbarkeit. Eine Ampel, die erneut jede Kita einzeln bewertet, hilft da wenig." Stettner spricht sich gegen ein Einzelfallsystem aus, das sich täglich ändert.

Giffey, zugleich Landesvorsitzende der Berliner SPD und Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl im September, hatte in der "Bild am Sonntag" rasche Öffnungsperspektiven für Kitas und Schulen gefordert. Sie schlägt dafür bei den Kleinsten eine Ampel mit drei Kriterien vor: Anzahl der infizierten Personen, Anzahl der Kinder in Quarantäne und Anzahl der Erzieherinnen und Erzieher in Quarantäne.

Grün soll die Ampel anzeigen, wenn niemand infiziert ist und weniger als zehn Prozent der Kinder und des Personals unter Quarantäne stehen. Dann soll ein normaler Betrieb stattfinden. "Auf Gelb schaltet die Ampel, wenn eine Person infiziert und eine Kindergartengruppe oder maximal ein Viertel des Personals in Quarantäne sind", erklärt Giffey in der "Bild". Dann solle ein eingeschränkter Regelbetrieb stattfinden, etwa mit geöffneter Kita, aber für weniger Stunden.

Auf Rot könne die Ampel schalten, "wenn zwei oder mehr Personen an Corona erkrankt und mehr als 25 Prozent des Personals oder mehr als eine Kindergruppe in Quarantäne sind". Dann würde die Einrichtung geschlossen und nur noch Notbetreuung gewährt.

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Völlig vom Infektionsgeschehen lösen will Giffey die Kita-Versorgung aber nicht. In Städten mit Inzidenzen über 200 oder Gebieten, in denen sich eine Mutation aggressiv ausbreitet, dürfe nur eine Notbetreuung stattfinden.

"Aber wie definiert man denn eine aggressive Ausbreitung?", fragt CDU-Bildungsexperte Stettner. Er ist dagegen, die Kitas hochzufahren, solange in Berlin eine Mutation grassiert, zu der es noch wenig Fallzahlen und Erfahrungswerte gebe. "Stattdessen brauchen wir Schnelltests, Luftfilter und mehr Platz, um die Kleinsten an Kitas und Grundschulen wieder zu betreuen." Etwa könnten in den Räumen von Oberschulen, wo Schülerinnen und Schüler recht gut mit dem Distanzlernen zurechtkommen, jüngere Kinder unterrichtet oder betreut werden.

Auch die Grünen im Abgeordnetenhaus äußern Kritik. "Wir haben rund 2700 Kitas in Berlin: Eigenbetriebe, Tagespflegestellen und Elternitiativen. Die Struktur ist extrem heterogen. Anders als bei den Grundschulen mit ihren Einzugsgebieten bringen Eltern ihre Kinder dort zur Kita, wo sie möchten", erklärt die bildungspolitische Sprecherin Marianne Burkert-Eulitz. "Wie sollen Jugendämter, Gesundheitsämter und Kitas da regelmäßig für alle Kitas eine Einstufung vornehmen?"

Wer soll die Einstufungen in die Ampel vornehmen?

Bereits bei den allgemeinbildenden Schulen, von denen es in Berlin nur rund 800 gibt, sei die Einschätzung des Infektionsgeschehens für den Ampelplan eine Herausforderung gewesen. Bis zur Schulschließung hatten die Schulaufsicht und die Gesundheitsämter jede Woche jeder Schule die Farbe Rot, Orange, Gelb oder Grün zugeordnet, unter anderem abhängig vom Infektionsgeschehen im Bezirk und der Stadt. Daraus leiteten sich die Mischung aus Regel- und Distanzbetrieb sowie die Hygienevorkehrungen ab.

Auch die Senatsbildungsverwaltung verweist darauf, dass diese Einstufung nicht immer leicht war. Man kenne noch keine Details und werde den Vorschlag von Franziska Giffey daher noch näher anschauen. "Das gilt unter anderem für die Frage, wer denn konkret die Einstufungen vornehmen soll", antwortet Sprecherin Iris Brennberger auf Tagesspiegel-Anfrage.

Aktuell erfülle das System der Notbetreuung die Erwartungen. "Es wurde damit bisher erreicht, dass die Zahl der Kinder, die täglich in den Einrichtungen sind, bei 36 Prozent blieb - und damit unter der Marge von 50 Prozent."

Allerdings teilte die Senatsverwaltung in der vergangenen Woche auch mit, dass für weitere rund 12 Prozent der Kinder ein Betreuungsbedarf angemeldet sei. Eine 28-seitige Liste mit Berufen regelt aktuell den Zugang zur Notbetreuung in den Kitas. Träger kritisieren allerdings die Komplexität und eine fehlende Prioritätensetzung bei der Liste. Sie schaffe weder Klarheit noch Verlässlichkeit, heißt es etwa vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Österreich setzt schon Selbsttests für Zuhause ein

Planbarkeit lasse sich am ehesten herstellen, indem Schnelltests in Kitas ausgeweitet würden, sagt Grünen-Expertin Burkert-Eulitz. Etwa Österreich setzt bereits Gurkel- und Spucktests für Zuhause ein, um dem Personal von Schulen und Kitas einen einfachen Selbsttest zu ermöglichen. Auch Deutschland will den Weg für Tests in Eigenregie perspektivisch frei machen.

Begleitende Tests würden aus Sicht von Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, auch die Kita-Ampel zu einem sinnvollen Vorschlag machen. "Ich halte die Idee für besser, als mit der Gießkanne Regeln über der ganzen Stadt auszukippen", sagt er. "Eine Ampel kann ein sinnvoller Baustein für mehr Zuverlässigkeit bei Eltern und Trägern sein."

Das sieht man in Giffeys Partei, der SPD, ähnlich. "Wir brauchen für die ganz Kleinen eine Perspektive und die Möglichkeit, Präsenz herzustellen", sagt Melanie Kühnemann-Grunow, die in der Berliner Fraktion für Kita-Themen zuständig ist. "Ich halte ein Ampel-System für gut, weil es klare Regeln hat. Jeder weiß, woran er ist."

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