Festsaison: Schaustellern vergeht der Rummelspaß
Das Gewerbe beklagt Behinderung durch den Senat: Nach dem Frühlingsfest droht jetzt auch dem Oktoberfest auf dem Zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm die Absage.
Und das Deutsch-Amerikanische Volksfest wird in diesem Sommer wohl zum letzten Mal auf dem Traditionsgelände am Hüttenweg stattfinden, einen Ersatzstandort gibt es noch nicht. Doch nicht die Wirtschaftskrise macht den Berliner Schaustellern zu schaffen, sie fühlen sich vom Senat im Stich gelassen. „Ich habe den Eindruck, dass wir gar nicht mehr gewollt sind in dieser Stadt“, so Thilo-Harry Wollenschläger, der neue Vorsitzende des Schaustellerverbandes. Immerhin war er jetzt bei Klaus Wowereit im Roten Rathaus und konnte seine Sorgen vortragen. Der Regierende Bürgermeister habe seine Unterstützung bei der Lösung der Problem zugesichert, sagte Wollenschläger danach.
Mit mehr als 200 000 Besuchern verzeichnete die Britzer Baumblüte gerade einen Besucherrekord, berichtet Wollenschläger. In wirtschaftlich schweren Zeiten würden die Berliner erst recht „das kleine Glück auf dem Volksfest“ suchen. Auch beim Traditionszirkus Renz Berlin, der bis Ostern in Spandau gastierte und jetzt sein Zelt am Hüttenweg in Zehlendorf aufgeschlagen hat, ist der Zuspruch des Publikums ungebrochen.
Dagegen leidet man unter zunehmenden behördlichen Restriktionen, klagen die Festveranstalter. Immer weniger Gelände stehen in der Stadt zur Verfügung, immer strenger werden die Auflagen. Und der im neunten Jahr genutzte Zentrale Festplatz wird von den Besuchern noch immer nicht in ausreichendem Maße angenommen. Wollenschläger wirft dem Senat vor, sich nicht an Zusagen zu halten. Die Fußgängerbrücken über den Kurt-Schumacher-Damm und den Hohenzollernkanal gibt es noch immer nicht. Der Erdwall, der den Platz von der Straße aus unsichtbar macht, wurde noch nicht abgetragen. Und anders als Zirkusunternehmen dürfen Schausteller noch nicht einmal Plakate im Stadtgebiet aufstellen.
„Kostenpflichtige Werbetafeln können wir uns nicht leisten“, so Wollenschläger. Schon lange habe kein Berliner Schausteller mehr die erforderlichen Millionenbeträge für den Bau neuer Fahrgeschäfte aufbringen können. Bei diesen Attraktionen sei man auf Betreiber aus anderen Teilen Deutschlands angewiesen. Doch die würden den Zentralen Festplatz wegen der geringeren Verdienstmöglichkeiten zunehmend meiden.
Während andere Städte hinter ihren Volksfesten stehen und oft selbst als Veranstalter auftreten würden, werde man in Berlin von der Politik ignoriert, so Wollenschläger. Mangels ausreichender Beteiligung musste bereits das Frühlingsfest im März abgesagt werden, das 40 Jahre lang den Auftakt der Berliner Rummelsaison bildete. Auch das nicht weniger traditionsreiche Oktoberfest ist infrage gestellt. „Wir konzentrieren jetzt all unsere Kräfte auf das Deutsch-Französische Volksfest von 12. Juni bis 14. Juli“, sagt Thilo-Harry Wollenschläger. Wenn es bis dahin noch immer kein Einlenken des Senats gebe, „fordern wir, dass man uns in Berlin eine andere Arbeitsstätte bietet“, so der Schausteller-Vorsitzende.
Auch Alternativen sind rar. Weil es in Berlin immer weniger Plätze gibt, zieht Circus Renz am 4. Mai in Richtung Dänemark. Und Richard Simmons, Veranstalter des Deutsch-Amerikanischen Volksfestes, warf das Handtuch, als er an der Leipziger Straße ein Ersatz-Frühlingsfest organisieren wollte. Der Bezirk genehmigte nur einen Betrieb von 16 bis 22 Uhr, was aus seiner Sicht „fast einem Berufsverbot“ gleichgekommen wäre. Auch die Zukunft der Kreuzberger festlichen Tage ist offen, weil die Grünen sie aus dem Viktoriapark verbannen wollen, klagt der Organisator. Lediglich die Neuköllner Maientage (24. April bis 17. Mai, Jahnpark) sind unstrittig.
Ungeachtet der geforderten Verbesserungen am Zentralen Festplatz hält Wollenschläger einen zusätzlichen, wirklich zentralen Veranstaltungsort für notwendig. Der Hardenbergplatz wäre nach seiner geplanten Umgestaltung ideal für ein bis zwei Volksfeste im Jahr, sagt der Schausteller-Chef. Ferner liebäugelt er mit dem Areal des Flughafens Tempelhof.
Das Deutsch-Amerikanische Volksfest (24. Juli bis 16. August) wird im 49. Jahr wohl letztmalig auf dem Traditionsgelände am Hüttenweg stattfinden. Dort soll danach endgültig gebaut werden. Verhandlungen über ein Ersatzgrundstück dauern an. Neben einem Areal in Lichterfelde hat Simmons eine Teilfläche des ehemaligen Flughafens Tempelhof im Auge.
„Zu Tempelhof gibt es zurzeit ein klares Nein“, sagt Marko Rosteck, Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer (SPD). Die Nutzung des Hardenbergplatzes sei Sache des neuen Regionalmanagements City-West. Mit der Situation am Zentralen Festplatz wird sich der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigen. Beim Erdwall gelte es, zwischen Lärmschutz und Attraktivitätssteigerung abzuwägen,. Eine Fußgängerbrücke über den Hohenzollernkanal sei „planungsrechtlich denkbar“, doch „finanziell nicht abgedeckt“.
Rainer W. During
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