Blockade am Berliner BER: Sammelabschiebung nach Afghanistan – Flieger gestartet
Innensenator Andreas Geisel lässt wieder nach Afghanistan abschieben. Grüne und Linke kritisieren die Praxis, Abgeordnete hatten zum Protest aufgerufen.
In der Dämmerung sollte das Flugzeug abheben – dazu kam es aber erst, als es bereits dunkel war. Am Mittwochabend wurde eine Sammelabschiebung vom Flughafen BER nach Afghanistan durchgeführt. Das löste Kritik aus: Aktivisten blockierten erst die Schönefelder Mittelstraße, die zum Flughafen führt. Dann versammelten sie sich vor dem Terminal 5. Immer mehr behelmte Einsatzkräfte der Polizei rückten an, um zu verhindern, dass Demonstrierende das Gebäude betreten. Die Lage wurde unübersichtlich. Nachdem die Maschine gegen 21.30 Uhr gestartet war, löste sich aber auch der Protestzug mit etwa 350 Teilnehmenden auf. Laut Polizei gab zwar eine Rangelei, aber keine Festnahmen.
Organisiert wurde der Flug vom Land Brandenburg – nach Tagesspiegel-Informationen sollten auch zwei Menschen aus Berlin in dem Flugzeug sitzen. Mehrere Flüchtlingsinitiativen und Abgeordnete der rot-rot-grünen Koalition hatten deshalb ab 18 Uhr zum Protest vor dem Flughafen aufgerufen. So sollte die Abschiebung verhindert werden.
Mit wem die Maschine abhob, stand am Mittwochabend noch nicht fest. Doch der Abschiebe-Flug läutet in jedem Fall die nächste Runde in einem koalitionsinternen Streit zwischen Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Linken und Grünen ein.
Im 2016 ausgehandelten Koalitionsvertrag ist grundsätzlich festgehalten, dass es „Rückführungen in Regionen, die aus humanitären Gründen nicht tragbar sind, nicht mehr geben wird“. Dass Afghanistan dazugehört, laut Global Peace Index das gefährlichste Land der Welt, darüber ist man sich in der Koalition einig. „Dass Berlin nach Afghanistan abschiebt, geht nicht: Wir schicken die Menschen in die Lebensgefahr. Das Aufenthaltsrecht ist kein Ersatzstrafrecht“, sagte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, dem Tagesspiegel.
Auch Susanne Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Beteiligung der Grünen-Fraktion, kritisierte den Innensenator für die Abschiebungen: „Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir in unsichere Länder wie Afghanistan nicht abschieben – es sind darin keine Ausnahmen für Kriminelle festgehalten“, sagte sie dem Tagesspiegel.
Ein Sprecher der Innenverwaltung wollte sich am Mittwoch nicht zu dem konkreten Fall äußern. Er teilte generell mit: „Dem Senat ist bewusst, dass in Afghanistan eine prekäre humanitäre Lage vorherrscht. Abschiebungen werden daher – auch im Vergleich zu einigen anderen Bundesländern – nur sehr eingeschränkt durchgeführt.“
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Es würden ausschließlich „Straftäter, Gefährder oder Personen, die sich der Identitätsfeststellung hartnäckig verweigern“ dorthin abgeschoben. Jeder Einzelfall werde geprüft und bedürfe der Zustimmung des Innensenators. „Dabei ist nicht allein die Situation für den Rückkehrer im Herkunftsland, sondern auch der Grad der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit zu berücksichtigen“, schreibt der Sprecher.
Laut einer Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Kahlefeld wurden seit Dezember 2020 fünf Menschen in das Land abgeschoben. Alle fünf seien „wegen erheblicher Gewaltdelikte verurteilt“, teilte die Innenverwaltung mit.