Begräbnis des ermordeten Dresdner Flüchtlings: Ruhe in Frieden und in Richtung Mekka
Der ermordete Dresdner Flüchtling Khaled Idris Bahray wurde am Sonnabend auf dem Spandauer Landschaftsfriedhof Gatow beigesetzt. Dort können sich Muslime bestatten lassen – ihrer Religion entsprechend. Das gibt es selten.
Das Grab von Khaled Idris Bahray liegt einsam hinter drei Birken auf dem Landschaftsfriedhof in Gatow. Davor steht Imam Mohammed Antabli und betet, zusammen mit den mehreren hundert Trauernden, die für die Beerdigung des Asylbewerbers aus Dresden hierher gekommen sind. Bahray wurde vergangene Woche mit mehreren Messerstichen in Hals und Brust tot aufgefunden. Da in Dresden keine Bestattung ohne Sarg möglich ist, wie im Islam vorgesehen, wurde Bahray am Samstagmittag in Berlin bestattet. Während die Trauergemeinde betet, wachen vor dem grauen Friedhofstor und an der Bushaltestelle Mannschaftswagen der Polizei.
Der islamische Teil des Landschaftsfriedhofs Gatow im Süden Spandaus wurde 1987 gegründet. Alle Gräber sind nach Mekka gerichtet. Im Jahr 1989 fand hier die erste Beisetzung nach islamischem Brauch statt. Dirk Bökemeier, 52, aus Wustermark ist seit dem ersten Tag dabei. Er ist Friedhofsgärtnermeister und als solcher auch für islamische Bestattungen zuständig. „Seit wir den Islam haben, bin ich hier“, sagt er und lässt offen, ob er damit den Friedhof, Berlin oder Deutschland meint.
Auch die erschossene Hatun Sürücu ist i Gatow begraben
Der Friedhof ist nicht nur ein Ort für muslimische Gläubige. Er erzählt auch Geschichten aus einer multikulturellen Gesellschaft. Hier liegt das Grab von Hatun Sürücu, die 2005 Jahren von ihrem Bruder erschossen wurde, genauso wie viele Doppelgräber von deutsch-türkischen Ehepaaren.
Im Berliner Stadtgebiet ist er der einzige islamische Friedhof, der noch Kapazitäten hat. Anders als bei christlichen oder weltlichen Bestattungen gilt im Islam die ewige Totenruhe. Ein Grab darf nicht neu vergeben werden. Die zweite muslimische Grabanlage bei der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm kann daher keine neuen Grabplätze mehr schaffen, sie ist schlicht überfüllt. Früher wurden gläubige Muslime oft in ihrem Heimatland bestattet. Immer häufiger erfolgen islamische Beisetzungen aber auch in Deutschland, denn der Koran besagt, dass ein Mensch an dem Ort begraben werden soll, an welchem er lebte.
Auf dem islamischen Teil des Landschaftsfriedhofs Gatow gibt es derzeit 4000 Gräber; wöchentlich kämen etwa zehn Bestattungen hinzu, sagt Bökermeier. In Berlin wurde 2010 das Bestattungsgesetz gelockert, so dass nun muslimische Bestattungen ohne Sarg und im Leichentuch erlaubt sind. Auch Bahrays Leichnam findet in einem solchen Tuch, dem sogenannten Kefen, seine letzte Ruhe. Aus dem Sarg wird er ins Grab gehoben, der Kopf in Richtung Mekka. Ein kleiner Bagger fährt heran und schüttet das Grab zu. Gelbe Tulpen und Rosen werden von den Umstehenden auf den Erdhügel gelegt. Und dann ist schon alles vorbei.
Muslime müssen möglichst rasch bestattet werden
Der kleine Bagger fährt vom Grab weg, die Menschen folgen ihm in Richtung Ausgang. Nur eine Gruppe junger Eritreer verweilt vor dem Grab.„Im Islam gibt es keine Trauerfeier, auch keine Lieder wie in der Kirche“, erklärt ein junger Muslim aus Neukölln. „Es geht darum, den Toten so schnell wie möglich den Regeln entsprechen zu bestatten.“ Diese Regeln stehen im Konflikt mit dem deutschen Bestattungsgesetz, nicht nur was den Sarg angeht: Der Koran fordert eine Beisetzung innerhalb von 24 Stunden, doch das deutsche Gesetz erlaubt sie frühestens 48 Stunden nach dem Todesfall. „Khaled Idris Bahray ist viel zu spät begraben worden“, sagt der junge Mann. „Aber ich bin mit sicher, dass er ins Paradies kommt. Er wurde grausam ermordet, er ist ein Märtyrer.“ Zusammen mit einigen anderen Männern geht er in einen Gebetsraum, der sich im Eingangsbereich des Friedhofsgeländes befindet. Hinter einer Glasscheibe beten die Männer, davor stehen Dirk Bökemeier und seine Kollegen und betrachten sie.
Im Islam ist es Brauch, die Verstorbenen jeden Freitag nach dem Gang zur Moschee zu besuchen, nicht nur einmal im Jahr wie beim christlichen Totensonntag. Für Berliner Muslime, deren Angehörige in Gatow liegen, ist das praktisch unmöglich. Um aus der Stadtmitte hierher zu kommen, muss ähnlich viel Zeit eingeplant werden wie für einen Flug von Tegel nach London. Auf der anderen Seite der Straße beginnt schon Brandenburg. 2012 hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die ursprünglich vorgesehene Erweiterungsfläche des zentralen Islamischen Friedhofs am Columbiadamm abgelehnt. Alternative Vorschläge gibt es auch 2014 keine. So bleibt Muslimen für die letzte Ruhestätte nur der weite Weg nach Gatow.
Pascale Müller