Schnellere Prüfung von Volksbegehren: Rot-Rot-Grün will direkte Demokratie in Berlin erleichtern
Volksbefragungen finden künftig an Wahltagen statt, für Recht- und Kostenprüfung gibt es Fristen und das Parlament muss die Initiativen anhören.
Rot-Rot-Grün hat nach langer Diskussion eine kleine Reform des Berliner Abstimmungsgesetzes gestartet. Ziel sei es, "das Zusammenspiel von direkter und repräsentativer Demokratie zu verbessern und die Verbindlichkeit und Transparenz" von Volks- und Bürgerbegehren zu erhöhen, heißt es im Gesetzentwurf, der am Freitag vorgestellt wurde. Beschlossen wird das Gesetz nach der Sommerpause.
Die Neuregelung sieht vor, dass Volksentscheide künftig grundsätzlich mit Parlamentswahlen durchgeführt werden, die innerhalb von acht Monaten nach einem erfolgreichen Volksbegehren anstehen. Es sei denn, die Trägerin des Begehrens einigt sich mit dem Senat freiwillig auf einen anderen Termin.
Außerdem werden für die amtliche Kostenschätzung und die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit eines Volksbegehrens erstmals verbindliche Fristen eingeführt. Für die Kostenschätzung sind es zwei Monate, für die Rechtsprüfung fünf Monate. Diese kann nur dann verlängert werden, wenn während des Verfahrens der Wortlaut des Begehrens mehr als nur redaktionell verändert wird. Sollte sich die Innenbehörde nicht an die Fristen halten, sind aber keine Sanktionen vorgesehen. Die Initiative müsste vor Gericht ziehen.
Neu ist auch, dass die Initiative für ein Volksbegehren in den zuständigen Fachausschüssen des Abgeordnetenhauses angehört werden muss. Es wird auch das Recht eingeräumt, dass der Text eines Begehrens während des Verfahrens noch geändert bzw. verbessert werden darf.
Erstmals wollen SPD, Linke und Grüne eine Kostenerstattung in Höhe von maximal 35.000 Euro je Abstimmungsstufe (also höchstens 70.000 Euro) einführen. Gleichzeitig wurde die Pflicht zur Anzeige von Spenden verschärft. Nicht nur Fremdspenden, auch "der Einsatz von Eigenmitteln der Trägerin" muss künftig angezeigt werden.
Prüfung der Unterschriftensammlung wird vereinfacht
Auf bezirklicher Ebene, also bei Bürgerbegehren, wird dem Senat die Möglichkeit genommen, durch das behördliche Eingriffsrecht eine Initiative auszuhebeln. Bürgerbegehren bleiben zulässig und dürfen per Bürgerentscheid abgeschlossen werden, auch wenn der Senat ein bezirkliches Thema an sich ziehen will.
Für die öffentliche Verwaltung wird die Prüfung der Unterschriftensammlungen vereinfacht. Geprüft werden nur so viele Unterschriften, wie für die Zulässigkeit der Befragung auf Landes- oder Bezirksebene notwendig sind. Alle weiteren Unterstützungserklärungen werden lediglich (ungeprüft) gezählt. Sollte die Ungültigkeit von Unterschriften strittig sein, erhält die Initiative das Recht, "von den Bezirksämtern die wesentlichen Gründe für die Ungültigkeit von Unterschriften erläutert zu bekommen", steht im Gesetzentwurf.
Linken-Politiker: Wir hätten es gern schneller gehabt
Mit der Reform des Abstimmungsgesetzes werden Vorgaben des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags nach langem Zögern erfüllt. Vor allem die Innenverwaltung des Senats und die Sozialdemokraten hatten es mit der weiteren Optimierung der direkten Demokratie in Berlin nicht besonders eilig. "Wir hätten es gern etwas schneller gehabt", sagte der Linken-Abgeordnete Michael Efler. "Aber dies ist jetzt ein sehr gutes Ergebnis". Der SPD-Innenexperte Frank Zimmermann sprach von einer "Nachjustierung" und die Grünen-Abgeordnete Susanna Kahlefeld begrüßte die "bessere Verzahnung von direkter Demokratie und Parlament".
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Auf weitreichendere Änderungen, etwa niedrigere Quoren, verzichteten die Innenexperten, denn für eine Änderung der Landesverfassung fehlt der Koalition die notwendige Zweidrittelmehrheit. Man hätte die Opposition mit ins Boot holen müssen. Ein Vorschlag aus den Reihen der SPD, eine konsultative Volksbefragung durch das Abgeordnetenhaus einzuführen, wurde deshalb auch nicht weiter verfolgt. Außerdem halten Grüne und Linke nichts von einer "Volksbefragung von oben". Der Brexit liefere dafür ein denkbar schlechtes Beispiel, so Kahlefeld. Efler sprach von einem "Fremdkörper der direkten Demokratie".
Ankündigung für ein neues Versammlungsgesetz
Der Vorschlag für Online-Unterschriften bei Volks- und Bürgerbegehren wird von allen drei Regierungsfraktionen eher skeptisch gesehen. Einerseits aus Gründen der Datensicherheit, andererseits bestehe die Gefahr, "dass bestimmte Bevölkerungsteile ausgeschlossen werden", sagte Kahlefeld.
Der SPD-Abgeordnete Zimmermann kündigte für die nächste Zeit weitere innenpolitische Vorhaben an, die seit langem "in der Pipeline" stehen. Am nächsten Mittwoch wird Rot-Rot-Grün voraussichtlich eine Reform des Versammlungsrechts öffentlich vorstellen. Auch der Entwurf für ein Transparenzgesetz sei weit gediehen, so Zimmermann. Gleiches gelte für weitreichende Änderungen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG). Auch die Einrichtung eines Lobby-Registers sei in Arbeit.
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