Nahverkehr in Berlin: Rot-Rot-Grün prüft neue Varianten für S-Bahn-Kauf
Für die Berliner S-Bahn müssen 600 Zwei-Wagen-Einheiten angeschafft werden. Es geht insgesamt um 2,4 Milliarden Euro.
Bei der Ausschreibung des S-Bahn-Verkehrs auf dem Ring und seinen Zulaufstrecken haben sich die damaligen Landesregierungen sehr viel Zeit gelassen. Jetzt sollen für die nächsten beiden Runden – den Betrieb auf den Ost-West- und den Nord-Süd-Strecken ganz schnell ganz große Pflöcke eingeschlagen werden.
Der Senat will in einer „Markterkundung“ prüfen lassen, ob sich Interessenten finden, die auf eigene Kosten die dafür benötigten neuen Züge anschaffen, 30 Jahre betreuen und dann dem künftigen Betreiber überlassen.
Dabei geht es um – geschätzt – 2,4 Milliarden Euro. 600 Zwei-Wagen-Einheiten sollen angeschafft werden, die von 2026 an die Züge der Baureihe 481 ersetzen sollen, von denen es 100 Exemplare weniger gibt.
Deutschen Bahn bleibt für Gleisanlagen und Bahnhöfe zuständig
Ein ähnliches Modell hatten die Grünen und die Linken in ihrer Oppositionszeit vorgeschlagen. Jetzt soll es in der Regierungsverantwortung umgesetzt werden. Erarbeitet wurde das Konzept folglich unter der Federführung der Senatsverkehrsverwaltung, die von der parteilosen Senatorin Regine Günther geleitet wird, die von den Grünen nominiert worden war.
Bedenken gibt es nach wie vor beim Koalitionspartner SPD, wie sich bei der Vorstellung des Papiers in der Fraktion durch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen am Dienstag gezeigt hatte. Ein solches Modell könnte zu einem Wirrwarr von Zuständigkeiten führen, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises Verkehr, Daniel Buchholz, dem Tagesspiegel.
Auf dem in drei Bereiche aufgeteilten Netz der S-Bahn könnte es jeweils unterschiedliche Unternehmen geben. Und über allen „throne“ dann noch der Bereich Netz der Deutschen Bahn, der nach derzeitigem Recht weiter für die Gleisanlagen und Bahnhöfe zuständig bleiben wird.
In der Vergangenheit hatten die Sozialdemokraten auch mit einer Direktvergabe des Betriebs an die BVG geliebäugelt. „Keine Variante ist vom Tisch“, sagte Buchholz. Bei einer solchen Summe sei eine ausführliche Diskussion erforderlich.
Der Wunsch des Senats, die Markterkundung noch vor Weihnachten zu beschließen, lasse sich deshalb nicht umsetzen. Die Beratungen müssten mindestens bis in den Januar fortgesetzt werden, sagte Buchholz. Erforderlich seien Angaben zu den Kosten aller Varianten.
Fahrzeugmangel seit 2009 bei der Berliner S-Bahn
Hintergrund der Überlegungen ist die 2009 ausgebrochene Krise der S-Bahn mit dem bis heute andauernden Fahrzeugmangel. Sparvorgaben aus dem Konzern hatten dazu geführt, dass die damalige Geschäftsleitung Züge verschrotten und die Wartung der anderen in den Werkstätten schleifen ließ.
Mehrfach ließ das Eisenbahn-Bundesamt einen Teil der Flotte deshalb stilllegen. Zeitweise musste die S-Bahn ihren Betrieb auf vielen Linien einstellen. Erst mit den bestellten neuen Zügen, die frühestens 2021 da sind, wird sich die Situation entspannen.
Um nicht erneut einem Unternehmen komplett „ausgeliefert“ zu sein, war die Idee entstanden, einen Pool für die Fahrzeuge zu schaffen und den Betrieb getrennt auszuschreiben. Dies würde auch die Marktchancen für Konkurrenten der S-Bahn verbessern. Solche Modelle gibt es unter anderem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dort schaffen die Länder die Fahrzeuge an und vermieten sie dann an die jeweiligen Betreiber.
Wegen der Schuldenbremse will der Senat dieses Modell nicht übernehmen, sondern lieber einen Dritten beauftragen. Hersteller bieten schon seit längerem an, bei ihnen gekaufte Bahnen auch selbst zu unterhalten. Fahrzeughersteller und Fahrzeugdienstleister könnten identisch sein, heißt es auch in dem Konzept-Papier.
Die BVG hat für den Kauf neuer U- und Straßenbahnen eine Finanzierungsgesellschaft gegründet, die sich – neben Zuschüssen des Landes – vorwiegend über Kredite finanzieren soll; außerhalb des Landeshaushalts.
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