Koalitionsverhandlungen in Berlin: Rot-Rot-Grün plant Straßenbahnausbau und Radgesetz
Das künftige Dreierbündnis von SPD, Linken und Grünen will bis Frühjahr 2017 ein Mobilitätsgesetz verabschieden. Auch die Fahrradstaffel wird wohl aufgestockt.
Die Fahrrad-Aktivisten vor dem Roten Rathaus jubelten, als sie am Freitagabend das Ergebnis der rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen hörten. Das Dreierbündnis will bis Frühjahr 2017 ein Mobilitätsgesetz auf Basis des Radverkehrsgesetzes verabschieden. "Wir werden das progressivste Mobilitätskonzept im Koalitionsvertrag bundesweit haben", sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Die autofreie Zone Unter den Linden ist noch ungewiss. "Wir habe das politisch noch nicht beschlossen", sagte der SPD-Chefverhandler, Verkehrssenator Andreas Geisel. Aber es gebe "gute Gründe" dafür. Kapek nannte es ein "wunderschönes Konzept und Prestigeobket für Berlin". Später am Abend wollte die Runde das Thema noch einmal aufrufen.
Ob bis 2021 die Parkraumbewirtschaftung innerhalb des S-Bahn-Rings kommen wird, ist noch nicht sicher. "Das Verfahren liegt bei den Bezirken", sagte Linken-Verhandler Harald Wolf. Man werde dazu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen abwarten. Ein Hauptproblem dürfte der personelle Aufwand für die Kontrolle sein.
Die Verlängerung der A 100 über den Treptower Park hinaus soll nicht weiter verfolgt werden. „Der Abschluss Treptower Park soll so vollzogen werden, dass er kein Präjudiz für einen Weiterbau ist“, sagte Wolf. Die Tangentialverbindung Ost (TVO) wird dagegen weiter geplant und gebaut. "Sie wird mit einer Schienennahverkehrstangente ergänzt", sagte Geisel.
Straßenbahnausbau und verdichtete Taktzeiten auf dem S-Bahn-Ring
Im öffentlichen Personennahverkehr setzt die Koalition auf Straßenbahnausbau und verdichtete Taktzeiten auf dem S-Bahn-Ring – noch dichter als der jetzige Fünfminutentakt im Berufsverkehr. Wolf sprach von einer „Offensive“ beim Ausbau der Straßenbahn. So soll eine M 21 vom Hauptbahnhof zur Turmstraße fahren. Dazu kommen die ebenfalls schon geplante Verbindung der Wista Adlershof mit Schöneweide und Erweiterungen in Mahlsdorf. Ob eine Straßenbahntrasse von der Warschauer Straße zum Hermannplatz gebaut wird, ist nach Auskunft von Kapek noch offen. Die Linie müsste vermutlich durch den Görlitzer Park führen.
Schonmal ein Anfang. Das Wichtigste fehlt aber noch: Straßenbegleitendes Parken abschaffen, zumindest an den Hauptstraßen. So entsteht Platz für Radspuren und Ladezonen. Die Sichtbeziehungen zwischen allen Verkehrsteilnehmern [...] verbessern sich schlagartig.
schreibt NutzerIn Ichglaubethackt
Auch die Busspuren sollen ausweitet werden. Konkreter wurde Rot-Rot-Grün dazu nicht. Eine solidarische Abgabe zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs werde "geprüft"; eine Arbeitsgruppe wird sich mit der Tarifstruktur befassen. Die Fahrpreise werden „eingefroren“, die aktuelle Erhöhung jedoch wird zum Januar in Kraft treten. Die schon bekannte Absenkung des Sozialtickettarifs für Bus und Bahn von 36 auf 25 Euro hat Rot-Rot-Grün am Abend verabschiedet.
Die künftige Koalition setzt auf eine Neuverteilung des öffentlichen Raums zugunsten des Radverkehrs. Der motorisierte Verkehr wird zurückgedrängt, der Lastenverkehr soll neu geregelt werden. "Wir wollen Konflikte entflechten, damit alle Menschen auf der Straße ein höheres Sicherheitsempfinden haben", sagte Kapek.
Fahrradstaffel der Berliner Polizei wird erheblich verstärkt
Die seit 2014 existente Fahrradstaffel der Berliner Polizei wird deutlich verstärkt. Derzeit sind 20 Beamte im Einsatz. Wie viele letztlich auf den Straßen mit Fahrrad unterwegs sein werden, wird die Koalition in der Verhandlungsgruppe zu Personal und Verwaltung nächsten Mittwoch debattieren. Auf den Nebenstraßen soll ein Netz aus Fahrradstraßen geplant und eingerichtet werden. Die künftigen Koalitionäre wollen einen Leitfaden für die Gestaltung von Fahrradstraßen erarbeiten. Auch einen grünen Pfeil für Radfahrer als Pilotprojekt will Rot-Rot-Grün einführen. Die sogenannte Idaho-Regelung erlaubt Radfahrern, rote Ampeln wie Stoppschilder zu behandeln und Stoppschilder als „Vorfahrt beachten“, sofern die Kreuzung frei ist. In Paris wurde diese Regelung in diesem Jahr stadtweit eingeführt. Mehr als 1800 Ampeln – in Berlin gibt es 2000 – bekamen ein Zusatzschild, das Radfahrer auffordert, die Vorfahrt zu beachten. Eine Variante erlaubt das Rechtsabbiegen bei Rot, die andere – an T-Kreuzungen ohne Querstraße von rechts – das Geradeausfahren.
Liebe Politiker: Das Bundesamt für Straßenverkehr hat belegt, dass die Zahl der in Berlin zugelassenen KFZ seit 2011 immer weiter steigt. Berlin wächst, damit auch die PKW. Der Lieferverkehr wird drastisch zunehmen. Da braucht es nicht weniger und engere nutzbare Straßen, sondern mehr Straßen und mehr Fahrspuren.
schreibt NutzerIn mitte31
Auch das Fahrradparken soll unter Rot-Rot-Grün in dicht besiedelten Gebieten deutlich verbessert werden. Wolf sagte, Kfz-Stellplätze könnten in Fahrradstellplätze umgewandelt werden. An Knotenpunkten wie zum Beispiel Ostkreuz, Hauptbahnhof, Zoo oder Gesundbrunnen sollen Fahrradparkhäuser mit "sicheren Abstellplätzen" errichtet werden.
Heinrich Strößenreuther nennt Bekenntnis zum Radverkehr "Riesenschritt"
2018 sind für den Ausbau des Radverkehrs 40 Millionen Euro geplant. Ab 2019 sollen jährlich 51 Millionen Euro in die Radinfrastruktur fließen. Nicht ausgeschöpfte Mittel sollen in das nächste Jahr übertragen werden können. Heinrich Strößenreuther vom Rad-Volksentscheid nannte das Bekenntnis der Koalition zum Radverkehr einen "Riesenschritt. Wenn das Gesetz bis März kommt, gibt es keinen Grund weiterzumachen."
Rot-Rot-Grün wollte sich am Freitag auch über die Themen Umwelt, Klima und Energie verständigen. Die Verhandlungen über Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Mieten begannen noch am späten Abend und sollten bis spät nachts andauern.