Brandenburg: Rot-Rot forciert Kreisgebietsreform
Die rot-rote Koalition plant eine Kommunalreform. Die großen Städte sollen Eigenständigkeit verlieren. Das sorgt bei deren Bürgermeistern für Aufruhr.
Brandenburgs neues rot-rotes Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) treibt Pläne für eine Kreisgebietsreform im Land voran. Nach Tagesspiegel-Informationen soll es künftig „maximal zehn“ statt der bisher vierzehn Landkreise und vier kreisfreien Städte geben. Letztere sind derzeit Cottbus, Frankfurt/Oder, Brandenburg an der Havel und die Landeshauptstadt Potsdam, die alle vier ihren Status als kreisfreie Städte verlieren könnten und „eingekreist“ werden sollen. Das erfuhr der Tagesspiegel aus den Vorbereitungen für die heutige Runde der Koalitionsverhandlungen, bei der es um die geplanten Kommunalreform geht – und damit nach der bisherigen rot-roten Harmonie selbst zur Schul- und Energiepolitik um das strittigste Thema.
Am Montag hatte es diverse interne Runden auf beiden Seiten, in der Staatskanzlei Woidkes und am Abend eine Beratung unter seiner Führung mit den Landräten und Oberbürgermeistern der SPD gegeben. Nach der ausgeloteten rot-roten Marschroute soll die Kreisreform mit einer Funktionalreform gekoppelt werden, bei der die neuen Großkreise auch Aufgaben bisheriger Landesämter übernehmen. Und zum anderen mit einem Teilentschuldungsprogramm für Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg/Havel.
SPD und Linke sind sich einig, dass Grundlage die Empfehlung der Enquetekommission des Landtages aus Abgeordneten und Experten sein soll, die sieben bis zehn Kreise vorgeschlagen hat. Die derzeitigen Strukturen mit 14 Landkreisen und den kreisfreien Städte Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel und die Landeshauptstadt Potsdam, gehen auf 1993 zurück. Die Enquete war zum Ergebnis gekommen, dass wegen sinkender Einwohnerzahlen und Einnahmen, aber auch zur Sicherung der Verwaltungskraft statt der „Kleinstaaterei“ künftig weniger, dafür aber leistungsfähigere Einheiten nötig sind.
Während die Zusammenlegung von Kreisen eher unstrittig ist, droht Aufruhr in den größeren Städten. Deren drohender Verlust der Kreisfreiheit bedeutet, dass sie viele Kompetenzen an dann übergeordnete Landräte und Kreistage abgeben müssten. Dass auch Potsdam am Ende davon betroffen ist, gilt allerdings bei SPD und Linken als unwahrscheinlich. Die Oberbürgermeister der vier großen Städte schlagen Alarm, meutern gegen die Pläne.
„Die Einkreisung bedeutet weniger Demokratie für unsere Einwohner“, sagte Dietlind Tiemann, CDU-Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel, dem Tagesspiegel. Die Zuständigkeit für Verkehrsbetriebe, Gymnasien, Theater oder Klinikum ginge an die Kreise über. Den Stadtverordneten drohe ein Verlust an Entscheidungsrechten. Zudem gebe es inzwischen eine Aufbruchstimmung in der Stadt, nun drohe der Rückschlag, sagte Tiemann. Das sei beim Abzug der Bundeswehr spürbar gewesen, werde im Fall einer Einkreisung viel gravierender sein. „Sollte die Entscheidung fallen, werden wir auch rechtlich dagegen vorgehen.“ Statt die Finanzausstattung der größeren Städte zu verbessern, versuche Rot-Rot „die Belastungen vom Land auf die Haushalte der Kreise abzuwälzen“, sagte Tiemann. Die Befürchtungen werden durch Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern genährt, wo nach der umstrittenen Kreisreform nur Rostock und Schwerin als kreisfreie Städte übrig blieben. Für die Stadt Neubrandenburg habe dies negative Auswirkungen gehabt, heißt es im dortigen Rathaus.
Die vier Oberbürgermeister nutzen nun jede Gelegenheit, um für die Eigenständigkeit zu kämpfen. Wenn sich am Mittwoch Brandenburgs neuer Landtag konstituiert, wollen die Stadtoberhäupter demonstrativ mit ihren goldenen Amtsketten erscheinen.
Thorsten Metzner