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Nostalgie: Swing-Musiker Andrej Hermlin im Rosengarten des Bürgerparks.
© Doris Spiekermann-Klaas

Pankow: Rosen und Flieger für Andrej Hermlin

Rote Rosen, rosa Rosen, weiße Rosen, ein Mußeort für Romantiker, doch Andrej Hermlin, der Swing-Musiker, schaut immer wieder in den dröhnenden Himmel.

Der Rosengarten im Pankower Bürgerpark ist sein Lieblingsort, vor allem wegen der lauten Einflugschneise. Er formt seine Hände zum Fernrohr. „Das ist der einzige Lufthansa-Airbus mit Retroanstrich, eine A 321.“ Sonst fliegen heute vor allem Boeings 747, zwischendrin mal eine Super Constellation. Das Sammlerherz ist entzückt.

Das hier ist sein Revier, schon seit Kindheitstagen, Niederschönhausen, das Dahlem des Ostens. Andrej Hermlin weiß, wo Arnold Zweig und Otto Grotewohl gewohnt haben, er zeigt das Haus von Ernst Busch, wo er mit seinem Vater, dem Schriftsteller Stephan Hermlin, öfter zu Besuch war. „Ernst Busch kam immer singend die Treppe herunter.“ Stehen alle noch, die großzügigen, aber nie protzigen Häuser aus den 20er und 30er Jahren mit den runden Erkern, nur die Anstriche sind neu, auch die Zäune und viele Bewohner.

Andrej Hermlin wohnt im Haus seines Vaters, das dieser 1947 von den Sowjets zugewiesen bekam. Er hat es renoviert und im Stil der klassischen Moderne eingerichtet. In seinem alten Kinderzimmer wächst jetzt sein Sohn auf. Diese Kontinuität gefällt ihm. Hermlin beschreibt sich als „total konservativ“, aber politisch links. Er ist Mitglied der Linken, auch wenn ihm seine Partei zuletzt heftige Bauschmerzen bereitete, wegen „antisemitischer Strömungen“, die Hermlin als Abkömmling einer von den Nazis verfolgten Familie verurteilt.

Hermlin schätzt es, wenn sich Dinge nicht verändern, wie die Pfauenvoliere im Bürgerpark oder die Pankebrücke, auf der er schon als Kind stand und darüber sinnierte, dass alles Wasser unter ihm nach West-Berlin fließt. Pankow, wo es sich vorstädtisch-grün zum Bürgertum bekennt, bedeutet ihm Heimat, obwohl einst verwilderte Plätze längst neuen Wohnadressen gewichen sind. Es leben viele alte Bekannte in der Umgebung, aber auch viele Zugezogene, die das Viertel bunter machen. Von denen könnte es nach Hermlins Geschmack gerne noch mehr geben. Mit seinen pomadisierten Haaren und den Retroanzügen – weißes Hemd, schwarze Schlaghose, Krawatte – ist Hermlin selbst ein Unikum, das eigentlich besser an den Ku’damm oder in die Friedrichstraße passt.

Der eingesessene Pankower gebe sich nach außen entspannt, wolle aber schon ein wenig besser sein als der Durchschnitt, glaubt Hermlin. Es fehle ihm ein wenig Stilempfinden und Geschmack. Das führe zu deutlichen Defiziten in der Gastronomie und im Einzelhandel. Hermlin würde es niemals einfallen, über erfolgreiche Zuwanderer zu schimpfen, die sich in Pankow kleine Paläste hinstellen. Einige Bauherren haben sich nach Dahlemer Vorbild hinter Zäunen und Überwachungskameras verschanzt. Das passt eindeutig nicht zu Hermlins Heimatgefühl. Die Menschen sollten die Chance haben, einander als Nachbarn zu begegnen.

Traurig wird er sein, wenn im Juni 2012 die letzten Flugzeuge über den Bürgerpark gen Tegel schweben. Schon die Schließung Tempelhofs hat den Retromusiker schwer getroffen. In seiner Arbeitszimmer-Vitrine stehen die Flugzeugmodelle Fügel an Flügel, nur zivile Maschinen. Pankow ohne Flugzeuge, da wird er sich doch den Rosen zuwenden müssen.

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