Zuwanderung: Roma suchen Zuflucht in Neukölln
Knapp 25000 Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien gab es 2012 in Berlin. Die Dunkelziffer liegt vermutlich viel höher. Bei der Versorgung der Menschen hapert es an allen Enden.
Der Zuzug von Rumänen und Bulgaren nach Berlin hat sich weiter verstärkt. Die Zahl der gemeldeten Zuwanderer aus diesen Ländern hat sich laut Statistischem Landesamt seit 2011 von knapp 20 000 auf knapp 25 000 in 2012 erhöht. Am größten ist der Anstieg in den Bezirken Mitte mit 6200 und Neukölln mit 5000 Gemeldeten. Das Bezirksamt Neukölln geht davon aus, dass ein „großer Anteil der Rumänen und Bulgaren im Bezirk der Minderheit der Roma zugerechnet werden kann“, heißt es im „3. Roma-Statusbericht“, den das Bezirksamt Neukölln am Freitag veröffentlichte.
Die Zahlen böten aber nur einen Anhaltspunkt über das „absolute Minimum“, da viele Zugezogene nicht formal gemeldet seien. Ausgehend von den inzwischen über 3000 Gewerbeanmeldungen von Bulgaren und Rumänen im Bezirk und den über 800 Schülern aus Südosteuropa an Neuköllner Schulen, nimmt das Bezirksamt an, dass allein in Neukölln über 10 000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien leben. Laut Romabericht kann seit 2009/10 nicht mehr von einer „Pendelmigration“ ausgegangen werden. Inzwischen handele es sich um eine „Wanderungsbewegung hin zu besseren Lebensverhältnissen, um sich dauerhaft in Deutschland niederzulassen“.
Der Bericht, den Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) verantwortet, beschreibt die wichtigsten Problemfelder, darunter Wohnen, Bildung und Gesundheit. Am brisantesten sei das Wohnungsproblem. Roma und zunehmend auch Rumänen hätten auf dem Wohnungsmarkt kaum Chancen, eine Wohnung anzumieten. Die schulische Situation sei nicht nur wegen der fehlenden Deutschkenntnisse schwierig, sondern auch wegen der vielen Analphabeten. Um ihnen die Eingliederung zu erleichtern, besuchen sie zunächst „Willkommensklassen“. Zum überwiegenden Anteil seien die Kinder „lernwillig, offen und hoch motiviert“, heißt es in dem Bericht. Auch habe sich die Zusammenarbeit mit Eltern verbessert, einige Schüler erhielten sogar eine Gymnasialempfehlung. Probleme bereite aber die „starke antiziganistische Haltung von türkischen und arabischen Schülern“. Um die kulturellen und sprachlichen Hürden bewältigen zu können, fordern die inzwischen Dutzenden betroffenen Schulleiter dringend zusätzliche Lehrer sowie Sprach- und Kulturmittler.
Die Krankenversorgung der Zuwanderer bereite große Probleme. Zum einen, weil viele nicht krankenversichert seien – oder weil die Stellen keine europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) ausstellen: Die Krankenkassen seien „in ihrer Existenz gefährdet“, wenn sie im großen Stil für die Rechnungen deutscher Krankenhäuser aufkommen müssten“, schreiben die Fachleute des Bezirksamtes. In Rumänien oder Bulgarien sind es Krankenkassen-Monatsbeiträge von acht oder zehn Euro Beitrag pro Monat – in Deutschland schlage zum Beispiel eine Entbindung mit rund 2500 Euro zu Buche.
Susanne Vieth-Entus