Auf dem Schlitten in Berlin: Rodelspaß am Teufelsberg: Superpiste mit Panorama
Die Rodelbahn auf dem Teufelsberg gehört zu den schnellsten Abfahrten Berlins. Vor 40 Jahren gab es dort sogar mal einen Skilift – und Schneekanonen.
Die Jungs sind dick vermummt und gut gelaunt. Schwarze Wollmützen, Schals, unterm Arm schleppen sie lange, etwas unförmige Gegenstände in Plastiktaschen. Drei Studenten im Schnee. „Na bitte, Berlin, Hauptstadt des Wintersports“, freut sich einer. Es fehlen zwar die Zweitausender in der Kulisse, aber ansonsten sieht es hier aus wie im Allgäu: Auf Trampelpfaden zwischen weißen Wällen geht es entlang der Straße hinein in den tief verschneiten Märchenwald. Rechts ein steiler Weg hinauf zur Höhe, eine Abkürzung nur für Klettercracks. Zwei Schritte vor, einer zurückgerutscht. Aber der Teufelsberg ruft. Das Trio aus Schöneweide ist mit seinen Snowboards auf dem Weg zu einer der besten Wintersportbahnen Berlins auf dem 114,7 Meter hohen Trümmerberg im Grunewald.
Berlin hat jede Menge Rodel- und Snowboardbahnen. Auf allen ist jetzt Hochbetrieb, jede hat ihre Fans, jede ihre Raffinessen. An der Onkel-Tom-Straße im Grunewald ist der Anlauf extrem steil und oft vereist, was Rennfahrer lieben. Am Insulaner geht es rasant in die Kurve, der Zehlendorfer Thielpark ist ideal für die Jüngsten, im Volkspark Prenzlauer Berg gibt es stark abschüssigen bis flache Varianten und am Spandauer Hahneberg dauert das Vergnügen besonders lang. Den Teufelsberg jedoch sollte kein Berliner Wintersportler trotz aller Alternativen in dieser Topsaison verpassen.
Schon am Bahnhof Westkreuz versammeln sich Rodler, Snowboarder und Langläufer auf dem Bahnsteig Richtung Spandau. Im Waggon hätte die Bahn einen guten Umsatz, würde sie Punsch an die Menschen in den Schneeanzügen ausschenken. Aber sie kämpft ja viel zu sehr mit dem Winter, dessen Freuden die Passagiere ab der Station Heerstraße genießen. Von dort sind es nur einige Schritte zur Teufelsseechaussee.
Klaus und Enzo sind mit ihrem Onkel aus Neukölln angereist, bisher rutschten sie nur die Hügel im Körnerpark hinab. Ein Vater aus Wedding legt sich vor dem Schlitten mit seinem Sohn ins Zeug. „Wir kennen nur die Rehberge“, sagt er. „Hier soll’s teuflisch schnell sein.“ Barbara Sauerbaum ging schon als Mädchen aus dem Westend am Teufelsberg rodeln, jetzt wohnt sie in Tempelhof, bleibt der Bahn aber mit ihrer Familie treu. Sie alle stapfen am Rande der Chaussee vielleicht 15 Minuten lang bis zur Abfahrt. Corinna Schnabel aus Charlottenburg legt hingegen schon am S-Bahnhof sportlich los. Die Mitvierzigerin schnallt sich die Langlaufskier an. Die Loipe auf dem Tempelhofer Feld ist ihr zu eintönig. Sie liebt „das Auf und Ab im Wald, die Winterromantik“.
Unterhalb der einstigen US-Abhörstation, beginnt die breite, recht steile Rodelstrecke mit Panoramablick über Berlin. Pulverschnee, nichts vereist. Johlen, Kreischen, Familien sausen in die Tiefe, Mützen fliegen weg, zwei Minuten Spaß, fünf Minuten Bergsteigen. Und zwischendurch ein bisschen Zoologie. „Guckt mal, ein Fuchs!“ – „Pssst!“ Tatsächlich schleicht der rote Kerl über den Nachbarhang. Digitalkameras surren. „Gestern“, sagt ein Mädchen, „kam eine ganze Rotte Wildschweine zur Rodelbahn.“
Es dämmert, die Schatten der Kiefern werden länger. Die Snowboarder sind die Letzten auf der Teufelsberg-Piste. „Warum gibt’s hier keinen Schlepplift mit Flutlichtanlage?“ fragen sie. Das gab’s schon mal. Von 1963 bis 1972 lief am Berg tatsächlich ein Lift, fehlte Schnee, lieferten ihn Schneekanonen. Aber die Metallmasten störten den Abhörfunk der Amerikaner. Deshalb wurde alles wieder abgebaut. Christoph Stollowsky