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In der Kritik: Berliner Richter fordern Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) auf, die Lage am Kammergericht in den Griff zu bekommen.
© dpa/Annette Riedl

Nach Cyberattacke am Kammergericht in Berlin: Richter verlieren Geduld mit Justizsenator Dirk Behrendt

Knapp fünf Monate nach der Virus-Attacke arbeitet das Kammergericht weiter offline. Nun starten die Richter einen „dringenden Appell“.

Anlässlich der weiterhin desolaten Arbeitssituation am Berliner Kammergericht hat sich der Gesamtrichterrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit in einem Schreiben an die Mitglieder des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus gewandt. In dem am Dienstag verschickten Brief ist von einem „dringenden Appell“ die Rede. Die Abgeordneten mögen „alles Erforderliche veranlassen, um die Arbeitsfähigkeit des Kammergerichts umgehend wiederherzustellen“, heißt es weiter.

Kritik üben die Mitglieder des Richterrats unter anderem an Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), aber auch an den Senatsverwaltungen für Inneres und Finanzen. Diese möge „nun endlich der Lösung des Problems oberste Priorität einräumen“, heißt es in dem Schreiben. „Die Geduld der Richterschaft ist aber nun am Ende“, erklärt Kerstin Guse-Manke, Vorsitzende des Richterrates stellvertretend für deren Mitglieder und fordert: „Dem Kammergericht ist dabei von allen Seiten unbedingte Unterstützung zu gewähren.“

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Diese werde seitens der Senatsverwaltungen für Justiz, Inneres und Finanzen „vermisst“, erklärt Guse-Manke weiter und stellt klar: „Wir empfinden dies inzwischen als Eingriff in die Gewaltenteilung.“ Es könne nicht sein, „dass die Verwaltungen durch zögerliches Handeln die Rechtsprechung daran hindern, ungestört in einer dem 21. Jahrhundert angemessenen Umgebung Recht zu sprechen“.

Der Rechtsausschuss wird sich am Mittwoch erneut mit der Virus-Attacke auf das Berliner Kammergericht beschäftigen. Seit dem Ende September bekannt gewordenem Angriff ist das Gericht vom Landesnetz getrennt. 550 Richter und Mitarbeiter arbeiten offline und sind nur per Telefon oder Fax erreichbar. Ein offizieller Zeitplan für die Rückkehr zum Normalzustand existiert nicht. Zu Ende Februar wird der Chef der IT-Abteilung des Gerichts seinen Posten räumen.

Unklarheit über Situation vor Ort

Tatsächlich gibt es mit Blick auf die technische Arbeitsfähigkeit der Richter am Kammergericht unterschiedliche Darstellungen. Während Justiz-Staatssekretärin Daniela Brückner zuletzt von einem bereits gestarteten „Probelauf“ mit rund 150 Rechnern gesprochen hatte, behauptet Guse-Manke, von den neu angeschafften Laptops sei bislang kein einziger in Betrieb. Zuletzt wollten sich weder das Kammergericht, noch die Senatsverwaltung für Justiz oder das für den Wiederaufbau der IT am Kammergericht zuständige IT-Dienstleistungszentrum des Landes Berlin dazu äußern. Die Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwoch könnte Klarheit bringen.

Darüber hinaus schwelt zwischen dem Präsidium des Kammergerichts sowie der Senatsverwaltung ein Streit über den Umgang mit forensischen Gutachten zu der Virus-Attacke. Während Gerichtspräsident Bernd Pickel sowohl die finale als auch die vorläufige Fassung des Gutachtens lange zurückgehalten hatte, veröffentlichte Behrendt zumindest die finale Fassung des Gutachtens Ende Januar - Tagesspiegel-Informationen zufolge im Alleingang.

Auch die als Verschlusssache eingestufte vorläufige Fassung des Gutachtens wurde den Abgeordneten erst auf Druck der Senatsverwaltung zugängig gemacht - 26 Stunden vor der Ausschusssitzung und damit zu spät für eine ausführliche Einsichtnahme aller Abgeordneten.

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