Berlin: Rendezvous im Hinterzimmer
In Berlin tummeln sich immer mehr Lobbyisten. Die Branche boomt – auch wegen der Gesundheitsreform
Deutschland streitet über seine Lobbyisten. Die Politik debattiert, ob sich ein Bundestagsmandat mit dem Geschäftsführerposten beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder dem Arbeitgeberverband (BDA) verträgt. Die Krankenkassen machen gegen die Reformideen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mobil. Und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt, ob es ein Bestechungsversuch war, als der Energiekonzern EnBW Politikern Tickets für die Fußball-WM anbot.
Harte Zeiten für Lobbyisten? Keineswegs. Die Branche wächst seit Jahren, und die Hauptstadt profitiert davon. Die Beraterszene ist eine der wenigen Boombranchen der Stadt. Seit dem Regierungsumzug sind Dutzende Kommunikationsagenturen nach Berlin gezogen, klassische PR-Büros sind längst auch im Bereich „Public Affairs“ aktiv.
„Das Wachstum ist jetzt nicht mehr so rasant wie vor fünf Jahren, aber die Nachfrage nach Beratern bleibt hoch“, sagt Florian Busch-Jansen. Der 28-Jährige zog von München nach Berlin, um sich hier als Headhunter für die Branche selbstständig zu machen; „poli-c“ heißt seine Personalberatung. Er schätzt die Zahl der Politik-Dienstleister in Berlin auf mittlerweile über 70. Dazu gehören internationale Kanzleien wie Hill & Knowlton, Agenturen wie Publicis oder Pleon und spezialisierte Politikberatungsfirmen.
Gregor C. Blach gehört zu den Newcomern der Branche. 2002 startete der 32-Jährige seine Agentur „WE DO“, die unter anderem vom Familienministerium, dem Bildungsministerium und dem Verband der privaten Krankenkassen Aufträge ergatterte. Seitdem stieg die Zahl der Mitarbeiter von drei auf 24. Der öffentliche Streit um die Rolle der Lobbyisten bei der Gesundheitsreform habe der Zusammenarbeit zwischen Politikern und Interessenvertretern keinen Abbruch getan. Der Umgang sei nach wie vor „unverkrampft“. „Wenn Firmen oder Verbände zu einer Party oder einem Empfang einladen, gehen die Abgeordneten auch hin“, sagt Blach. Schließlich sei die Politik auf Informationen aus der Wirtschaft angewiesen.
Politikberater werden oft als Einflüsterer gesehen, deren Job es ist, Politiker auf den Kurs ihrer Auftraggeber einzuschwören. Für Dominik Meier, den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (Degepol), ist die Aufgabe vielschichtiger: „Man versucht, alle Beteiligten eines Gesetzgebungsverfahrens ins Gespräch zu bringen.“
Beispiel Gesundheitspolitik: Für ein Pharmaunternehmen reicht es nicht, die Konzerninteressen der Ministerin und ein paar Abgeordneten vorzutragen. Ein Lobbyist muss versuchen, auch die verschiedenen Ärzteverbände, Krankenkassen und Patientenvertreter zu erreichen. Dass auch die alle ihre eigenen Beraterstäbe beschäftigen, erklärt das Wachstum der Branche.
Die wichtigen Gespräche finden an diskreten Orten statt, selten im viel beschworenen Politiker-Treff Café Einstein Unter den Linden. „Da trifft sich nur, wer zusammen gesehen werden will“, sagt Meier. Für dezente Rendezvous verabredet man sich in Restaurants fernab des Reichstags, in separierten Hotelsalons oder auch mal zu einer Bootsfahrt über die Spree. „Da können die Gesprächsteilnehmer nicht einfach aufstehen und gehen“, sagt Meier.
Dass es um das Renommee der Branche nicht zum Besten steht, liegt Politik- Berater Daniel Dettling zufolge an der Kurzsichtigkeit vieler Verbände und Konzerne. Ein Beispiel sei das neue Anti-Diskriminierungsgesetz, das verbietet, dass etwa Homosexuelle oder Behinderte vom Arbeitgeber benachteiligt werden. „Das Gesetz haben die Wirtschaftsverbände sofort als Bedrohung eingestuft und bekämpft, statt es als Chance für eine zeitgemäße Personalpolitik anzunehmen und mitzugestalten“, sagt Dettling.
Der 35-Jährige leitet die Denkfabrik Berlinpolis, die sich mit einer Initiative für mehr Transparenz im Gesundheitswesen einen Namen gemacht hat. Anders als Agenturen, die nur die Vorstellungen ihrer Auftraggeber umsetzen, entwickelt Berlinpolis auch eigene Zukunftsmodelle, die öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Das Konzept könnte aufgehen: Mit mehr Transparenz wäre die Branche das Image der Einflüsterer los.
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