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Berlin: Renaissance zur „Tatort“-Zeit

Die Ausstellung im Bode-Museum ist meist überfüllt Doch es gibt da einen Geheimtipp

Je näher Monbijoubrücke und Bode-Museum kommen, um so größer wird die Spannung: Steht eine Menschenschlange vor dem Eingang und wenn ja, wie lang wird sie sein?

Doch von Andrang keine Spur. Nur einige wenige Menschen warten an diesem Sonntagabend zur besten „Tatort“-Zeit unter den Arkaden des Museums. Vor dem Tickethäuschen stehen ganze drei Menschen, der Monitor am Eingang zeigt ihnen für das aktuelle Zeitfenster eine Wartezeit von null Minuten an. So rasch geht es normalerweise nicht in die Ausstellung „Gesichter der Renaissance“, den Besuchermagneten Berlins in diesen Wochen. Denn tagsüber muss man als Besucher meist mehrere Stunden Wartedauer einplanen. Doch die aufgrund des immensen Andrangs bald nach der Eröffnung eingerichteten verlängerten Öffnungszeiten – Donnerstag bis Sonntag bis 22 Uhr – zeigen Wirkung, und gerade die Abendstunden am Wochenende sind noch ein echter Geheimtipp.

Besonders, da die kontemplative Ruhe, welche die im gedämpften Licht in satten Farben leuchtenden Porträts der Schönen, Reichen und Mächtigen ausstrahlen, noch intensiviert wird, wenn sich nur wenige Besucher in den Räumen befinden. Zwar dürfen sich aus restauratorischen Vorgaben generell nur höchstens 300 Menschen in der Ausstellung mit den über 150 Gemälden, Zeichnungen, Medaillen und Büsten hauptsächlich aus der italienischen Renaissance aufhalten. Doch ist es noch einmal etwas anderes, an einem Samstag- oder Sonntagabend mit den Porträtierten, die mit ihren lebendigen, selbstbewussten, melancholischen oder verträumten Gesichtern so gegenwärtig wirken, mit etwas Glück nahezu allein sein zu können.

„Sehen Sie sich an, wie das hintere Auge angeschnitten ist, das ist fantastisch“, flüstert Gabriele Neumann-Schirmbeck. Seit über zehn Jahren zeichnet die pensionierte Lehrerin aus Charlottenburg selbst Porträts, und so nutzt sie die Kunstwerke gern als Anschauungsmaterial – aber nur in den Abendstunden nach 20 Uhr. „Die Atmosphäre ist dann wegen der wenigen Besucher zugleich entrückt und konzentriert. Es ist wie eine Art Zeitreise“, sagt die 66-Jährige, deren Lieblingsbild in der Ausstellung Raffaels kunstvolles „Porträt eines Mannes“ um 1504 ist.

Vor dem Highlight der Ausstellung, Leonardo da Vincis „Dame mit dem Hermelin“ (von dem manche Experten behaupten, er sei in Wirklichkeit ein Frettchen), stehen gegen Viertel vor zehn immer noch etwa ein Dutzend Besucher – aber dennoch sehr viel weniger als tagsüber, so dass man das schöne Antlitz der 16-jährigen Cecilia Gallerani in Ruhe studieren kann. In den Ausstellungsräumen mit den Schwerpunkten auf den „Anfängen“, Florenz oder den Medici sind um diese Uhrzeit hingegen nur noch vereinzelt Besucher in den Anblick eines Gemäldes versunken. So wie in das von Andrea del Castagno gemalte „Porträt eines Mannes“. Der guckt so prüfend und fast ein wenig gereizt zurück, als wollte er sagen: „Wird es nun nicht langsam Zeit, nach Hause zu gehen?“ Und hat wohl recht damit. Auch die Menschen der Renaissance brauchten schließlich ihren Schlaf.Eva Kalwa

Am Kupfergraben 1. Bis 20. November. Montag bis Mittwoch 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 22 Uhr. Tagesticket 14, ermäßigt 7 Euro. Weitere Informationen und Ticketzähler (Tagestickets nur an der Museumskasse) auf der Internetseite www.smb.museum/gesichter.

Eva Kalwa

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