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Umstritten: Diesel-Autos und ihre Abgase
© dpa/Hendrik Schmidt

Diesel in Berlin: "Rechtskräftige Verpflichtungen lösen sich nicht einfach in Luft auf"

Kann Berlin auf Fahrverbote verzichten? Das haben einige Politiker jüngst suggeriert. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht widerspricht.

Stephan Groscurth ist Vorsitzender Richter am Berliner Verwaltungsgericht – und zugleich dessen Sprecher.

Herr Groscurth, in der Diskussion um den Stickoxid-Grenzwert haben verschiedene Politiker den Eindruck erweckt, dass es in vielen Fällen nun doch ohne Diesel-Fahrverbote geht, sofern der Grenzwert nur geringfügig überschritten wird. In Berlin hat das Verwaltungsgericht im Oktober geurteilt, dass das Land Fahrverbote verhängen muss. Gilt dieser Zwang nach wie vor?

Mit Urteil vom 9. Oktober 2018 hat das Verwaltungsgericht das Land zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtet. Dabei hat das Gericht ausdrücklich elf Straßenabschnitte auf acht Berliner Straßen benannt, an denen zwingend Fahrverbote vorzusehen sind. Diese Entscheidung ist vom Land nicht angegriffen worden und deshalb rechtskräftig. Die Verpflichtung muss also nach wie vor erfüllt werden: Bis zum 31. März 2019 muss der Luftreinhalteplan fortgeschrieben werden, bis Ende Juni 2019 müssen entsprechende Verkehrsschilder aufgestellt werden.

Wenn der Berliner CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici verkündet, dass „die Fahrverbote von Anti-Auto-Senatorin Günther sich in Luft aufgelöst“ hätten, liegt er also falsch?

Es ist das Wesen des Rechtsstaats und auch Ausdruck der Gewaltenteilung, dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen zu beachten sind, auch wenn man mit ihnen nicht einverstanden ist. Rechtskräftig festgestellte Verpflichtungen lösen sich also nicht einfach in Luft auf – es sei denn, das Gericht stellt in einem gesonderten Verfahren fest, dass sich die Umstände entscheidend geändert haben.

Neben den elf Abschnitten mit unvermeidlichen Fahrverboten hat das Gericht 106 Strecken benannt, auf denen der Grenzwert auch durch andere Maßnahmen eingehalten werden kann. Kann die Verkehrsverwaltung dort jetzt neue Maßstäbe anlegen?

Für diese Streckenabschnitte hat das Gericht es nicht für völlig ausgeschlossen gehalten, dass die nach wie vor geltenden Grenzwerte auf andere Weise als durch Fahrverbote erreicht werden könnten. Es bleibt also nach wie vor Sache des Landes, diesen Prüfauftrag im Luftreinhalteplan umzusetzen. Mit der aktuellen Diskussion über die Berechtigung der Grenzwerte, die ja gesetzlich festgeschrieben sind, hat dies aber nichts zu tun.

Die Opposition hat von der rot-rot-grünen Koalition vergeblich gefordert, gegen das Urteil für Berlin Berufung einzulegen. Wenn Sie mal eine Spekulation wagen würden: Wäre es in der zweiten Instanz eher ohne Fahrverbote ausgegangen – oder eher mit noch viel weitergehenden, wie die Koalitionäre gemutmaßt haben?

Es verbietet sich, über die Erfolgsaussichten eines nicht eingelegten Rechtsmittels zu spekulieren. Zudem ist völlig offen, welche Sach- und Rechtslage im Fall einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden würde.

In der Diskussion wird zunehmend der Eindruck erweckt, dass die Deutsche Umwelthilfe die Gerichte instrumentalisieren würde, um einen Feldzug gegen die Autoindustrie und die Dieselfahrer zu betreiben. Das müsste Ihnen als Vorsitzendem Richter doch an die Berufsehre gehen?!

In der Rechtsprechung ist unstreitig, dass die Deutsche Umwelthilfe als Verband befugt war und ist, die Einhaltung der Grenzwerte einzuklagen, die im Übrigen schon seit vielen Jahren gelten. Die Prozessordnung kennt den Begriff der „Instrumentalisierung“ nicht, und ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Deutschen Umwelthilfe hat die entscheidende Kammer des Gerichts hier nicht gesehen. Wenn derartige Klagen demnach zulässig sind, ist darüber auch in der Sache zu entscheiden, ungeachtet ihrer Motivation.

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Stefan Jacobs

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