Studenten nach Spandau, Touristen nach Lichtenberg: Raed Saleh möchte die Außenbezirke aufwerten
Wegen der Verdrängung aus der Innenstadt ziehen viele Berliner weiter raus. SPD-Fraktionschef Saleh, selbst aus Spandau, will die Außenbezirke auch für Touristen und Studenten attraktiver machen.
Die Stadt wächst und verändert sich – und damit auch der Stadtrand. In den vergangenen Jahren hat sich die Bevölkerungsstruktur auch in den Außenbezirken deutlich verändert. Viele Menschen aus innerstädtischen Bereichen wie Friedrichshain-Kreuzberg mussten in die Außenbezirke wie Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf oder Spandau ziehen, weil sie sich die explodierenden Mieten in den zu Szenebezirken mutierten Kiezen im Zentrum nicht mehr leisten konnten. „Berlin ist mehr als nur der Innenstadtring“, sagt Raed Saleh. Der Chef der Abgeordnetenhausfraktion der SPD kommt selbst vom Stadtrand und bummelt gerade durch Spandau, wo er als Kreisvorsitzender seiner Partei fungiert. Viele Leute fühlen sich von der Berliner Politik ausgegrenzt. „Wenn man Berlin als Ganzes betrachtet, muss man auch in Berlin als Ganzes investieren.“
Keine Ghettos wie in Paris oder London
Verhältnisse wie in London oder Paris, wo die Vorstädte zu Ghettos verkommen, will Saleh in Berlin verhindern. Deshalb müsse man dafür sorgen, dass bei den Bewohnern eine Grundzufriedenheit herrsche und die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch mehr auseinanderklaffe. „70 Prozent der Jugendlichen in den sogenannten sozialen Brennpunkten glauben nicht mehr an ihren Aufstieg, diese Zahl ist alarmierend.“ Vor diesem Hintergrund lobt sich Saleh selbst und den Senat für das Brennpunktschulprogramm, in das jetzt auch Berufsschulen einbezogen werden. Die 218 betroffenen Schulen können dabei selbst entscheiden, was mit den insgesamt 15 Millionen Euro passiert, ob sie damit beispielsweise Sozialarbeiter, Sprachmittler oder ein Anti-Gewalt-Training finanzieren.
Doch Stadtrandpolitik kann sich nicht allein auf Bildung beschränken. „Die Randbezirke sind keine Schlafstätten, sondern der Lebensmittelpunkt für die Menschen, die dort wohnen“, sagt Saleh. Deshalb müssten die Neubürger hier den Eindruck haben, dass sie dort auch angenommen werden und sich wohlfühlen, dann würden sie sich auch schnell mit ihrer neuen Heimat identifizieren. Offenbar hat hier wohl auch Salehs SPD nicht immer genau hingeguckt.
Studenten könnten in Randbezirke ziehen
Ein Musterbeispiel, wie ein Problemkiez mit Maßnahmen wie Quartiersmanagement und Förderprogrammen wieder auf Vordermann gebracht werden kann, ist für Saleh die Gewobag-Siedlung im Falkenhagener Feld. Die Graffitis sind hier verschwunden, die Grünanlagen machen einen gepflegten Eindruck. Dies gehe nicht ohne die Wohnungsbaugesellschaft, sagt Saleh, und verweist auf den schmuddeligen Zustand der Siedlung der gerade erneut verkauften GSW in der Heerstraße-Nord. Der Problemortsteil wurde kürzlich vom Senat als neues Fördergebiet in das Programm Stadtumbau West aufgenommen, soll mit den zusätzlichen Mitteln stabilisiert und attraktiver gestaltet werden. Es sei ein Fehler gewesen, die einst landeseigene GSW zu verkaufen, gibt Saleh zu, der sich jetzt mit den neuen Eigentümern treffen will.
Studenten könnten die Randbezirke ebenfalls eine attraktive Heimat bieten, findet Saleh. In Spandau kann er sich studentisches Wohnen unter anderem im ehemaligen Kant-Gymnasium und im derzeit vom Jugendamt genutzten Hochhaus an der Klosterstraße vorstellen. Denn so weit draußen sei man hier nun auch wieder nicht, findet der Spandauer. Vom nahen Bahnhof sei man mit der Regionalbahn jedenfalls schnell im Stadtzentrum.
Auch in den Tourismus sollten die Randbezirke stärker einbezogen werden. Saleh jedenfalls findet es ein Unding, dass der Tierpark in Lichtenberg als größter Zoo Europas noch nicht einmal in den Reiseführern erwähnt wird.
Investitionen aus Lottomitteln sollen helfen, ein paar Attraktionen mehr am Stadtrand zu schaffen. So soll der Gutspark Neukladow in Spandau zu einem Anziehungspunkt direkt an der Havel ausgebaut werden: Und wie berichtet werden zehn Millionen aus dem Sondervermögen zur Infrastruktur der wachsenden Stadt (SIWA) bereitgestellt, um das frühere Ausflugslokal „Eierhäuschen“ im ehemaligen Spreepark in Treptow-Köpenick wieder flottzumachen. Auch wenn es nicht Spandau ist – Saleh freut sich drüber.