Ergebnisse der Bürgerbeteiligung: Radlerhölle Kreuzberg
9000 Berliner haben sich am Onlinedialog der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beteiligt. Oranienstraße, Hermannplatz und Schönhauser Allee gelten als "Horrorstrecke" für Radler. Der Senat verspricht Abhilfe.
Der Beitrag „Horror Hermannplatz“ hat 161 Unterstützer gefunden, liegt damit auf Platz vier der „Topliste“ zu Abbiegekonflikten mit dem Fahrrad. „Oranienstraße ist die Radfahrhölle“ bringt es sogar auf 198 Meinungsäußerungen. Inhaltlich halten sich Horror und Hölle durchaus die Waage: Radfahrer fühlen sich von Zweite-Reihe-Parkern, Holperwegen, kurzen Grünphasen und „BMW- Proll“-Rennfahrern zunehmend über den Lenker gezogen.
Das Online-Dialogprojekt des Senats zur Radsicherheit in Berlin hat viel Frust, aber auch eine Menge Verbesserungsvorschläge zutage gefördert. Nach vier Wochen ist das Dialogverfahren im Internet beendet worden. 36 500 Besucher haben sich dort informiert, fast 9000 Nutzer haben konkrete Probleme benannt und Lösungen vorgeschlagen. Viele Hinweise und Vorschläge betrafen allerdings die gleichen Probleme. Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) ist von der Resonanz „begeistert“. Er verspricht, die Anregungen ernst zu nehmen. „Wir werden die Hinweise umfassend auswerten und so weit wie möglich in unsere konkreten Planungen einbeziehen.“ Die Ergebnisse der Auswertungen sollen im Januar auf der Onlineseite präsentiert werden. Anschließend will Gaebler Pilotprojekte „zur testweisen Umsetzung“ definieren. Wie viel Geld dafür bereitsteht, sagte er nicht.
Bernd Zanke vom ADFC begrüßt das Dialogverfahren, befürchtet aber, dass die Umsetzung der Vorschläge viel zu lange dauern wird, weil Änderungen mit den Bezirken abgestimmt werden müssen oder das Geld fehlt. Am Hermannplatz sei die Situation für Radfahrer völlig inakzeptabel, im vergangenen Jahr habe es hier 21 Unfälle gegeben, an denen Radfahrer beteiligt waren. Offiziell müssen sie mühsam jede einmündende Straße queren und entsprechend oft auf eine Grünphase warten. So viel Geduld bringen nur die wenigsten auf. Dass der Platz komplett neu gestaltet werden soll, ist seit Jahren auch im Bezirk Konsens, Baubeginn frühestens 2016.
Als prekär wird auch der Kreisel am Kottbusser Tor empfunden. Viele Autofahrer würden Radfahrer überholen und sie dann beim Rechtsabbiegen schneiden, schreiben Nutzer. Auch für diesen Unfallschwerpunkt gibt es seit langem Planungen für einen Umbau, doch die derzeitigen Bauarbeiten betreffen das Viadukt der U-Bahn. Im Juni erklärte Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) der BVV in bewährtem Stadtentwicklungs-Sarkasmus: „Der Fachbereichsleiter Tiefbau wünscht sich nichts sehnlicher, als vor seinem Ruhestand noch mal den Fahrradstreifen in der Gitschiner Straße zu erleben.“
Viele Radfahrer haben im Online-Dialog die Schönhauser Straße als gefährlich beschrieben. Hier gilt teilweise eine Benutzungspflicht für den Radweg, teilweise nicht. Zanke plädiert dafür, diese Pflicht in Gänze aufzuheben, um einen „Zickzack-Kurs“ zwischen Straße und Radweg zu vermeiden. Gegen das Zweite-Reihe-Parken könnten allenfalls Ordnungsamt und Polizei helfen. Gegen aufklappende Autotüren empfiehlt Zanke: Sicherheitsabstand halten, notfalls mitten auf der benachbarten Fahrspur radeln und hupende Autofahrer im Schlepptau ignorieren.
Online-Dialoge zu Lärm und Begegnungszonen
Bürgerbeteiligung steht derzeit hoch im Kurs, und weil es online billiger und schneller geht, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits drei Dialogverfahren gestartet – die Themen: Lärmschutz, Radverkehr und Begegnungszonen. Die Lärmschutz-Seite hatte im Februar dieses Jahres ihren großen Auftritt. 3000 Vorschläge zum Schallschutz gingen ein. Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) bedankte sich für die Resonanz und kündigte einen „finalen Lärmaktionsplan“ an. Ein Entwurf des Plans sollte „bis Ende des Sommers 2013“ vorliegen, jetzt ist die Präsentation auf den Jahresbeginn 2014 verschoben. Der Plan soll die wichtigsten Hinweise aus der Bürgerbeteiligung aufnehmen. Die letzte Information auf der Leise-Seite datiert vom 9. Juli. Damals wurde der Auswertungsbericht zur Bürgerbeteiligung präsentiert, erstellt von der beauftragten Firma Zebralog, 110 Seiten stark. Dort lässt sich detailgenau nachlesen, wo wie häufig welche Lärmprobleme moniert wurden.
Viele Lärmquellen wie Flugzeuge, Züge von Bahn und BVG, Bauarbeiten, laute Nachbarn etc. hat der Senat nicht direkt zu verantworten, dennoch will er auch auf Dritte einwirken, um seine Bürger vor Lärm zu schützen.
„Erste Maßnahmen“ wurden umgesetzt: Dialog-Displays in der Gneisenaustraße, Kreuzberg, und in der Dianastraße in Reinickendorf. Die Displays ermahnen zum Einhalten der Tempolimits, und senken damit den Lärm. Zudem sollen weitere Straßen mit Flüsterasphalt ausgestattet werden, etwa der Bersarinplatz in Friedrichshain sowie Abschnitte der Residenzstraße zwischen Wedding und Reinickendorf.
Und es gab zwei Expertenworkshops zum Thema.