Sozialarbeiter-Demo heute in Berlin: Protest gegen Notstand in Jugendämtern
Wer Kinder schützen will, braucht Personal. Neue Zahlen zeigen: In manchen Bezirken hat sich die Lage weiter verschärft.
Auf diese Demonstration hat Mina Hagedorn lange gewartet: Wenn an diesem Mittwoch Sozialarbeiter gegen den bundesweiten „Notstand“ in ihren Jugendämtern protestieren, wird die Kreuzberger Lehrerin dabei sein – aus Solidarität und aus eigener Betroffenheit: „Fast alle Mitarbeiterinnen des Jugendamts, die ich wegen meiner Schüler getroffen habe, waren kurz danach entweder monatelang krank oder haben gekündigt,“ berichtet Hagedorn. Darum hat sie ein Plakat gebastelt. Auf dem steht: „Kinderschutz braucht 1. Personal, 2. Zeit, 3. Geld“.
Bislang sind die Sozialarbeiter der Jugendämter kaum auf die Straße gegangen, sondern haben nur weiße Fahnen und Plakate in ihre Bürofenster gehängt – und das seit Jahren. Sie hängen selbst in den Kreuzberger Ämtern, obwohl die so genannten Regionalen Sozialen Dienste (RSD) von Friedrichshain-Kreuzberg im Bezirksvergleich eher wenig freie Stellen haben: Anders als etwa in Tempelhof-Schöneberg waren hier nicht 30 Prozent, sondern nur fünf Prozent der Stellen vakant, wie eine Abfrage in den Jugendämtern im Februar 2018 ergeben hatte.
Jugendämter vorübergehend geschlossen
„Wir sind zwar – im Verhältnis – gut ausgestattet, aber trotzdem nicht ausreichend“, erklärt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) den scheinbaren Widerspruch. Außerdem seien aktuell viele Kolleginnen schwanger oder gerade Mutter geworden. „Um immer 100 Prozent Personal aktiv zu haben, braucht es eine Stellenbesetzung von 105 bis 110 Prozent“, stellt Herrmann fest. Selbst ihr Bezirk muss die Jugendämter immer wieder vorübergehend schließen, um die aufgelaufenen Altfälle oder Akutfälle überhaupt abarbeiten zu können.
Bis zu 44 Prozent der Stellen vakant
Seit dem Februar hat sich die Personalnot in einigen Bezirken sogar noch weiter verschärft, wie gerade eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegener ergab. Demnach ist in Tempelhof-Schöneberg der Anteil der unbesetzten Stellen zum Juli auf 44 Prozent gestiegen, in Charlottenburg-Wilmersdorf auf 38 Prozent und in Marzahn-Hellersdorf auf 27 Prozent.
Dass Berlin mit der Unterbesetzung in seinen Jugendämtern keine Sonderrolle einnimmt, sondern es bundesweit ähnliche Probleme gibt, wurde im Mai durch eine Studie der Universität Koblenz bestätigt. Diese Studie war dann auch der Anlass für den Deutschen Berufsverband für soziale Arbeit (DBSH), bundesweit zur Demonstration aufzurufen. wobei er von Verdi und der GEW sowie von der Deutschen Kinderhilfe unterstützt wird.
„In den Jugendämtern ist die Überlastung nicht nur hoch, sondern es ist ein dramatischer Notstand vorhanden“, lautet auch die Einschätzung der Berliner GEW. Der hohe Krankenstand lasse es „kaum mehr zu, das Alltagsgeschäft zu bewältigen“. Dies führe dazu, dass häufig „nur noch die absoluten Krisenfälle“ bearbeitet würden, bestätigt die GEW das, was Lehrerinnen wie Mina Hagedorn erleben. Um 11 Uhr wird sie am Neptunbrunnen stehen.
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