Potsdamer Mieter in Angst: Post lässt sich Dutzende Schlüssel stehlen
Nach dem Einbruch in einem Verteilzentrum fürchten Potsdamer um ihre Sicherheit – und beklagen die Reaktion des Konzerns.
Nachdem unbekannte Täter knapp 100 Haustürschlüssel aus dem Potsdamer Postverteilzentrum gestohlen haben, rät die Polizei betroffenen Eigentümern zum Schlössertausch. Das sagte eine Sprecherin jetzt auf Anfrage der Tagesspiegel-Schwesterzeitung „Potsdamer Neueste Nachrichten“. Die Zeitung hatte als erste darüber berichtet, dass Unbekannte vor eineinhalb Wochen in das alarmgesicherte Gebäude in der Straße Am Kanal eingebrochen waren und dabei etliche mit Adressen beschriftete Schlüssel zu Häusern in der Potsdamer Innenstadt mitgenommen hatten.
Zunächst war nur von geöffneten Briefen die Rede
Zunächst war nur von „einigen wenigen geöffneten Briefen“ die Rede gewesen, noch immer hat die Post nicht alle Hauseigentümer von dem Diebstahl in Kenntnis gesetzt. Anwohner sorgen sich, dass die unbekannten Diebe jetzt deutlich leichter in ihre Häuser gelangen, Fahrräder entwenden und weitere Einbrüche begehen könnten. Die Schlüssel sollen unter anderem zu Haustüren in der Kurfürsten- und der Friedrich-Engels-Straße sowie im Holländischen Viertel passen. Möglicherweise seien auch Gewerberäume betroffen, hieß es bei der Polizei.
Die genaue Zahl der gestohlenen Schlüssel nannten Polizei und Post nicht. Es sei eine „bislang nicht abschließend bezifferte Menge an Haustürschlüsseln“ entwendet worden, hieß es von der Polizei offiziell. Später war von einer hohen zweistelligen Zahl die Rede.
Kein Kontakt zur Post
Postsprecherin Tina Birke teilte am Donnerstag auf Anfrage des Tagesspiegels mit, dass man die betroffenen Kunden inzwischen schriftlich informiert habe. Diese müssten sich nun mit dem Kundenservice in Verbindung setzen, die entsprechenden Kontaktdaten gingen aus dem Schreiben hervor. Nicht nur bei den Mietern sondern auch bei Eigentümern und Hausverwaltungen bestand in den vergangenen Tagen noch erheblicher Aufklärungsbedarf. Sie habe mehrfach erfolglos versucht, bei der Post einen Ansprechpartner genannt zu bekommen, sagte etwa Jeanette Schmidt, die in einem Dreifamilienhaus im Holländischen Viertel wohnt und sich für den Eigentümer um die Verwaltung des Gebäudes kümmert: „Ich bekomme keinen Kontakt. Es gibt keine telefonische Durchwahl, etwa zur Sicherheitsabteilung der Post.“
Noch nicht alle wissen Bescheid
Ihrer Kenntnis nach wüssten die meisten Hauseigentümer noch nicht, dass ihre Schlüssel weg seien, sagte Schmidt und kritisierte, dass auch die Post zuletzt nur noch unregelmäßig geliefert worden sei, weil die Zusteller ohne Haustürschlüssel keinen Zugang zu den Briefkästen hätten.
Post-Sprecherin Birke hatte darauf hingewiesen, dass man sich zu solchen Problemen „Zug um Zug in der Abstimmung“ befinde und den Betroffenen eine Servicenummer der Post empfohlen, an die sie sich mit ihren Fragen wenden könnten. Doch alle, die das versuchten, hatten berichtetet, dass die Mitarbeiter im Service-Zentrum nichts von dem Diebstahl in Potsdam wussten und ihnen nicht helfen konnten. „In den aktuellen Schreiben sind jetzt die Kontaktdaten genannt“, sagte die Sprecherin und warb um Verständnis, dass dies einige Zeit in Anspruch genommen habe.
Forderungen auf Schadenersatz
Dass die Post überhaupt Haustürschlüssel verwahre, sei die Ausnahme, teilte die Post-Sprecherin weiter mit: „Grundsätzlich ist nicht vorgesehen, dass Zusteller Schlüssel in Empfang nehmen. Denn in Deutschland sind die Briefkästen in den meisten Mehrparteienhäusern so angebracht, dass sie von jedermann ohne Schlüssel oder andere Zugangsmittel erreichbar sind. In den Ausnahmefällen, in denen sich die Briefkastenanlage hinter einer verschlossenen Tür befindet, besitzen Zusteller dennoch Schlüssel zu Häusern. Dies ist allein eine Sache zwischen Zusteller und einzelnen Mietern, Vermietern beziehungsweise Wohnungsgesellschaften und erfolgt im beidseitigen Interesse.“
Dennoch könnten auf die Post nun Schadenersatzforderungen zukommen. Mieterin Schmidt zufolge wurde das Türschloss an ihrem Haus mittlerweile zumindest notdürftig gesichert. Ein kompletter Austausch werde rund 400 Euro kosten, sagte sie.
Neue Schließanlagen sind teuer
Noch teurer wird es laut dem Geschäftsführer des Unternehmens Niemeyer Sicherheitssysteme, Peter Tietze, wenn es sich um Schließanlagen handelt. Dann müssten alle Schlösser zu den Wohnungen ausgewechselt werden, sagte der Experte auf Anfrage. Da komme „schnell ein vier- oder gar fünfstelliger Bereich“ zusammen. Das hänge aber vom Einzelfall ab, so Tietze.
Ob und in welcher Höhe die Post die entstehenden Kosten für den Austausch der Schlösser übernehmen wird, ließ Sprecherin Birke offen, teilte am Donnerstag aber mit: „Wie wir bereits mehrfach gesagt haben, werden wir unsere Kunden mit ihren Schäden nicht im Regen stehen lassen.“ Immerhin: Einbrüche registrierte die Polizei in den betroffenen Häusern bislang noch nicht, wie es auf Anfrage hieß. Die Kriminalpolizei ermittelt derzeit gegen unbekannt.
Bei der BSR hat es so etwas noch nicht gegeben
Einbrüche und Diebstähle in Postverteilzentren kommen immer wieder einmal in Deutschland vor. Allerdings sei ein weiterer Fall wie in Potsdam nicht bekannt, hieß es auf Anfrage – auch nicht in Berlin. In der Hauptstadt werden neben der Post auch bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) Schlüssel aufbewahrt. „Die stellen uns manche Hauseigentümer und Hausverwaltungen zur Verfügung, damit wir zum Beispiel Ladestellen in Hinterhöfen besser erreichen können“, sagte BSR-Sprecher Sebastian Harnisch am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Diese Haustürschlüssel werden entweder in besonders gesicherten Räumen auf unseren Betriebshöfen verwahrt oder befinden sich in speziellen Schlüsseltresoren am Haus.“
Nähere Angaben hierzu könnten aus Sicherheitsgründen nicht gemacht werden, sagte der Sprecher. Die BSR hafte für verlorene oder gestohlene Schlüssel aber nur bei grober Fahrlässigkeit. Allerdings habe es einen ähnlichen Vorfall wie in Potsdam seines Wissens bei der BSR noch nicht gegeben.