Berlin: Portrait einer Großfamilie: Der kleine Pool im Garten ersetzt die Urlaubsreise
Der Blick in den Garten offenbart: Hier leben Kinder, viele Kinder. Wie ein Abenteuerspielplatz sieht die Fläche um das Zehlendorfer Einfamilienhaus aus; vom früheren Rasen ist nicht viel übrig geblieben.
Der Blick in den Garten offenbart: Hier leben Kinder, viele Kinder. Wie ein Abenteuerspielplatz sieht die Fläche um das Zehlendorfer Einfamilienhaus aus; vom früheren Rasen ist nicht viel übrig geblieben. Es gibt ein Baumhaus, einen kleinen Swimmingpool mit Rutsche, ein Schaukelgerüst und Fußballtore. Bobbycars, Fahrräder, Bälle, Luftmatratzen, ein aufblasbares Kanu. Eine Affenschaukel hängt im großen Nussbaum. Mischlingshund Frigga streunert herum, und in einem kleinen Gehege mümmelt gemütlich Kaninchen Blando. Im selbst gebauten Holzauto können alle Kinder der Familie Platz finden: Pilt (12), Inken (9), Alva (8), Leon (6), Pahila (5) und Jorin (2).
Anja Arnold und ihr Mann Holger Beck-Arnold haben sechs Kinder. Damit gehören sie zu einer Minderheit in Berlin. Familien mit sechs Kindern sind in Berlin so selten, dass sie statistisch nicht mehr erfasst werden können. Die Unterlagen des statistischen Landesamtes weisen lediglich Familien mit vier und mehr Kindern aus. 9200 davon gibt es in Berlin; nur jede 40. der insgesamt 366 000 Familie in der Stadt hat demnach mehr als drei Kinder.
Auf mehr Nachwuchs ist die Ämterbürokratie gar nicht eingerichtet. Die meisten Formulare haben lediglich Platz für höchstens vier Kinder. Und Familienpässe, die Eltern mit ihren Kindern Sondertarife bieten sollen, sind in der Regel nicht für so kinderreiche Familien ausgelegt, sondern berücksichtigen allenfalls zwei oder drei Kinder. "Damit können wir selten was anfangen", sagt die 34-jährige Anja Arnold.
Dabei könnten die Finanzen der Familie durchaus einmal Rabatte bei Unternehmungen vertragen. 4500 Mark monatlich - davon sind 1900 Mark Kindergeld - stehen dem Haushalt zur Verfügung, nicht gerade viel für acht Personen. Vater Holger, promovierter Astrophysiker, war die letzten zwei Jahre arbeitslos. Vom nächsten Jahr an wird er jedoch im IT-Bereich bei einer Berliner Computerfirma arbeiten; zurzeit macht er eine Weiterbildung. Mutter Anja sieht sich in der Rolle der Familienmanagerin, die die Termine der einzelnen Familienmitglieder unter einen Hut bringt und zusieht, dass der Haushalt läuft, wobei auch jedes Kind Aufgaben übernehmen muss. Sie hat der Familie wegen auf eine berufliche Karriere verzichtet. Das Studium ist nicht beendet, derzeit überlegt sie, ob sie das Staatsexamen als Lehrerin noch machen soll oder nicht.
Angesichts der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten muss die Familie Prioritäten setzen; Statussymbole wie große Stereoanlagen, aufwendige Polstergarnituren oder schickes Porzellan sind im Haus nicht zu finden. Der letzte Anstrich ist schon eine Weile her. Nur ein kleiner Fernseher steht in einer Ecke. Die Familie bewohnt die obere Etage des Hauses, gut 70 Quadratmeter, die mit Holzregalen vollgestopft ist, unten wohnt die Mutter von Anja Arnold. Dort ist auch die gemeinsame Küche. Pahila und Jorin teilen sich ein Zimmer, Inken und Leon ein anderes. Lediglich Pilt, der Älteste, hat einen Raum für sich, in dem Poster von Popstar Sasha, Giovane Elber und dem FC Bayern München die Wände schmücken. Die Eltern schlafen in einer durch eine Glasscheibe abgetrennten Ecke des Wohnzimmers. Hier in dieser Wohnung sind bis auf den Ältesten auch alle Kinder zur Welt gekommen. Lange werden sie dort aber nicht mehr wohnen können, deswegen sucht die Familie eine Wohnung. Das ist nicht so einfach: Sobald Vermieter hören, dass sechs Kinder zur Familie gehören, winken sie ab.
"Bei uns ist das schon oft mal ein Thema, dass andere Kinder eine Stereoanlage haben oder ein eigenes Zimmer und die Eltern zwei Autos fahren", sagt Anja Arnold. Und natürlich erben die Kinder von ihren Geschwistern die Kleider, was nicht immer auf Gegenliebe stößt. Aber sie sähen ebenso, sagt die Mutter, dass bei den anderen auch nicht alles stimmt, dass sich die Eltern trennen oder der Vater nicht so viel Zeit hat, wobei sich dieses im kommenden Jahr auch bei den Arnolds ändern wird. Klar ist beispielsweise die 9-jährige Inken mal von ihren Geschwistern genervt, sagt sie. Aber: "Wenn man mal Fußball spielen will, dann hat man immer jemanden."
Eine Urlaubsreise für alle ist nicht drin; und mehr oder wenig improvisierte Ferien auf einem Campingplatz wie - damals noch zu siebt - zuletzt vor drei Jahren in Spanien bieten zumindest den Eltern keine Erholung. Da bleibt man lieber zu Hause und macht es sich dort nett. Dafür hat die Familie sich in diesem Jahr den kleinen Swimmingpool gegönnt: "Das war unser Urlaub."
Wichtig ist den Eltern die schulische Erziehung: Die vier ältesten Kinder besuchen die Waldorfschule in Kleinmachnow, auch wenn es Schulgeld von insgesamt 350 Mark monatlich kostet. Eine besondere Rolle spielt aber der Sport im Familienleben. Bis auf den Kleinsten sind alle Mitglieder der Großfamilie Hockeyspieler und gehören dem Berliner Hockey-Club BHC an. Sie spielen in verschiedenen Mannschaften und auf verschiedenen Turnieren. Auch Vater Holger ist an Wochenenden bei Wettkämpfen aktiv, Mutter Anja spielt abends. Die zweite Sportleidenschaft gilt dem Tennis, die vier Ältesten spielen bei den Zehlendorfer Wespen. Wie kann sich die Familie einen teuren Sport wie Tennis leisten? "Die Kinder sind gut", sagt Anja Arnold, und deswegen seien sie bei der Steffi-Graf-Stiftung zwei Jahre lang umsonst gefördert worden. Bei dem 12-jährigen Pilt hat es sich schon gelohnt: Er ist ost- und norddeutscher sowie Vize-Deutscher Meister seiner Altersklasse und wird bereits von einem Sponsor ausgestattet.
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