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Mutmacher. Hier malen Unterstützer ihre Solidaritätsbekundungen auf den Gehweg vor dem Hostel in der Gürtelstraße, das war Dienstag vor einer Woche. Jetzt wurde die Mahnwache 100 Meter weiter verlegt, damit sich die Leute da unten und die auf dem Dach nicht womöglich gegenseitig hochschaukeln.
© Tassilo Hummel
Update

Flüchtlinge in der Gürtelstraße in Berlin-Friedrichshain: Polizei verlegt Mahnwache

Es soll sich bitte keiner gegenseitig durch Rufe oder Zuwinken hochschaukeln: Die Polizei hat die Mahnwache der Unterstützer vor dem Hostel in der Gürtelstraße verlegt, 100 Meter weiter. Die Unterstützer hätten die Gefahr für die Flüchtlinge erhöht, so die Begründung.

Die Polizei hat am Donnerstagmittag die Mahnwache am Hostel vor der Gürtelstraße verlegt. Etwa 40 Unterstützer waren vor Ort, als gegen 13.30 Uhr ungefähr zehn Mannschaftswagen der Polizei vorfuhren. Über Megafon forderte ein Beamter die Unterstützer dazu auf, den Ort zu räumen und die Mahnwache zu verlegen - etwa 100 Meter weiter die Gürtelstraße entlang in Richtung Frankfurter Allee auf ein Wiesenstück. Dort haben die Unterstützer keinen Sicht- oder Rufkontakt mehr zu den Flüchtlingen auf dem Dach. Allerdings kann man den Eingang des Hostels noch sehen.

Auf Spitzdach geklettert

"Durch das Verhalten der Teilnehmer hat sich die Gefährdungslage für die Flüchtlinge auf dem Dach erhöht", sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel. So hätten die Unterstützer die "entkräfteten Menschen" immer wieder aufgefordert, durchzuhalten und auf dem Dach zu bleiben. Zudem hätten die Flüchtlinge für den Kontakt mit den Unterstützern auf ein Spitzdach klettern müssen, was sie weiter in Gefahr gebracht hätte.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sollen 60 bis 70 Personen mit Decken und Schlafsäcken am bisherigen Ort der Mahnwache auf den Bürgersteigen übernachtet haben, das berichteten Unterstützer und Flüchtlinge. Dieser "Camp-Charakter" solle jetzt unterbunden werden, sagte die Polizei vor Ort. Zu viele Gegenstände hätten sich hier angesammelt - Campingutensilien wie Schlafsäcke oder Isomatten. Diese sind nach Auskunft des Sprechers "nicht von Artikel 8 des Grundgesetzes" gedeckt. Artikel 8 garantiert die Versammlungsfreiheit. Am neuen Ort dürfen die Unterstützer weiterhin nächtigen - allerdings nicht in einem "Camp", Matratzen und Schlafsäcke lässt die Polizei nicht mehr zu.

Für die Verlegung hat die Polizei etwa 100 Beamte zusätzlich eingesetzt, sodass um halb zwei insgesamt 180 Polizisten in der Gürtelstraße waren. Die Beamten forderten die Unterstützer dreimal mit dem Megafon auf, die Mahnwache zu verlegen. Weil die Gruppe nicht direkt reagierte, überquerten die Polizisten die Straßenseite, um sie zu drängen. Ein Polizist zerschnitt mit einem Messer das große 10-Meter-Transparent, auf dem in weiß auf schwarz „Bleiberecht für Alle“ stand. Daraufhin kam es zu einem kleinen Gerangel zwischen Unterstützern und Polizei, ein junger Mann wurde festgenommen. Die Lage beruhigte sich aber wieder  - unter Aufsicht der Polizei begannen die Demonstranten widerwillig den Platz zu räumen. Sie stopften ihre Schlafsäcke in Einkaufswagen, rollten Transparente zusammen und nahmen Plakate von der Wand. Dem jungen Mann, der zu dem Zeitpunkt Anmelder der Mahnwache war, standen dabei Tränen in den Augen. Einige Demonstranten sammelten Müll zusammen, andere nahmen die Schaumstoffmatten auf den Rücken.

Geschirr im Plastikkorb

Ein Unterstützer leerte einen Wasserkocher auf die Straße, hängte sich das Kabel der Kochplatte um den Hals. „Den Kram dürft ihr zum neuen Ort sowieso nicht mitnehmen“, erklärte die Polizei. „Das geht über den Zweck der Kundgebung hinaus.“ In Plastikkörben trugen die Demonstranten Geschirr davon.

Die Gürtelstraße bleibt weiterhin gesperrt, die Entscheidung, wer in den abgesperrten Bereich darf und wer nicht obliege beim Einsatzleiter, sagte der Polizeisprecher.

"Wir dürfen uns dort nicht mehr versammeln", sagte eine Unterstützerin. "Aber wir dürfen ja vorbeigehen." So könne sie den Flüchtlingen von der Straßenecke zur Scharnweberstraße immerhin weiter im Vorbeigehen winken.

Seit Dienstag vergangener Woche hält sich eine Gruppe von mittlerweile schätzungsweise noch sieben Flüchtlingen in einem Zimmer mit Dachzugang in dem Hostel in der Gürtelstraße 39 auf, ebenso lange hat sich eine Gruppe von Unterstützern zu einer Dauerkundgebung davor versammelt. Die Flüchtlinge waren aufgefordert worden, das Hostel zu verlassen, nachdem ihre im Rahmen der Oranienplatz-Einigung überprüften Asylanträge in Berlin abgelehnt wurden.

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