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Anteilnahme. Der Flüchtlingsjunge Mohamed wurde im vergangenen Herbst vor dem Lageso entführt, wo damals auch mit Kerzen an ihn erinnert wurde
© dpa

Am Lageso entführter Flüchtlingsjunge: Polizei soll im Fall Mohamed nachlässig ermittelt haben

Neue Vorwürfe gegen die Berliner Polizei: Die Ermittler werteten Videos vom Lageso-Gelände offenbar erst Tage nach der Entführung des Vierjährigen aus.

Im Fall des im Oktober vergangenen Jahres ermordeten vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed ist offenbar nachlässiger ermittelt worden als bisher bekannt. Das geht aus neuen Informationen hervor, die in der neuen Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ veröffentlicht werden.

So haben die Ermittler möglicherweise erst mit tagelanger Verspätung Videoaufnahmen vom Ort der Entführung des Jungen ausgewertet. Nach Informationen des Berliner Grünen-Politikers Benedikt Lux glaubten sie falschen Informationen eines Wachmannes.

Lux hatte bereits im November 2015 eine Anfrage an die Senatsverwaltung für Inneres gestellt. „Ich wollte unter anderem wissen, ob es stimmt, dass die Polizei einen Wachmann gefragt hat, ob das Lageso-Gelände videoüberwacht sei“, sagte er am Freitag dem Tagesspiegel. „Als der dies verneinte, hat man das geglaubt und erst ein paar Tage später mitbekommen, dass es da sehr wohl Kameras gab“. In ihrer bislang unveröffentlichten Antwort verweist die Innenverwaltung auf die laufenden Ermittlungen.

Mohamed war am 1. Oktober 2015 vom Gelände des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) verschwunden. Die Leiche des Jungen wurde Ende Oktober im Auto des 32-jährigen Silvio S. gefunden, der gestand, den Jungen ebenso wie den am 8. Juli in Potsdam entführten sechsjährigen Elias sexuell missbraucht und getötet zu haben.

„Das Verschwinden des Kindes nicht ernst genug genommen“

Lux fühlt sich in seiner Ansicht bekräftigt, dass die Polizei nachlässig ermittelt hat. „Ich bleibe dabei, dass man das Verschwinden des Kindes am Anfang nicht ernst genug genommen hat“, sagte er.

Auch der „Spiegel“ berichtet, dass die Berliner Beamten vorrangig gegen die Flüchtlingsfamilie ermittelt und die Suchmaßnahmen nach dem Jungen vernachlässigt hätten. Dem Bericht zufolge vermuteten die Ermittler nach dem Bekanntwerden von Mohameds Verschwinden zunächst Familienstreitigkeiten und hielten es sogar für möglich, dass die Entführung des Jungen vorgetäuscht wurde, um die bevorstehende Abschiebung der bosnischstämmigen Familie zu verhindern.

Diese Vorwürfe sind nicht neu, waren aber von der Berliner Polizei stets zurückgewiesen worden. „Wir haben nie gegen die Familie von Mohamed ermittelt“ hatte es auf entsprechende Anfragen geheißen, allerdings seien die Aussagen der Mutter am Anfang widersprüchlich gewesen, deshalb habe es einige Tage gedauert, bis klar war, wann und wo genau der Junge verschwunden beziehungsweise zuletzt gesehen worden war.

Zu den neuerlichen Vorwürfen im „Spiegel“ will und kann sich die Berliner Polizei nicht äußern. „Das gesamte Verfahren zu Mohamed und Elias hat die Staatsanwaltschaft Potsdam übernommen“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam hieß es, "wenn es Ermittlungspannen gegeben haben sollte, werde man dies intern klären“.

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