„Schäme mich in Grund und Boden“: Türkischstämmiger Augenzeuge bestürzt über Auto-Poser am Zoo
Autos einer türkischen Hochzeitsgesellschaft schleudern im Kreis über eine Kreuzung in Berlin. Ein Augenzeuge erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
Das Video zeigt zwei schwarze Autos, die auf der großen Kreuzung vor dem Bahnhof Zoo – Kreuzung Hardenbergstraße Ecke Joachimsthaler Straße – mit quietschenden, qualmenden Reifen Kreise drehen.
Eines der Autos fährt in den Gegenverkehr, das zweite schleudert auf einen Fußgängerübergang. Angefeuert werden sie von Männern in Anzügen, einer von ihnen schwenkt eine Türkeiflagge.
Es sind unglaubliche Szenen, die sich da am Sonntagnachmittag im Kreuzungsbereich vor dem Bahnhof Zoo in Berlin-Charlottenburg abspielten, zuerst hatte die „B.Z.“ berichtet.
Nun ermittelt die Polizei. „Wir haben das Video zugespielt bekommen“, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Anzeigen von Augenzeugen habe es aber bis Donnerstagmorgen keine gegeben. Dem widerspricht ein Twitter-Nutzer, mit dem der Tagesspiegel telefonisch sprach, entschieden.
Er hatte der Polizei bereits am Sonntagabend ein Video von dem Vorfall per Direktnachricht bei Twitter zugeleitet. "Das hat sich heute am Zoo abgespielte", schrieb er dem Social-Media-Team. "Sollte nicht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gegen den Drifter ermittelt werden?"
Polizei zeigte kein Interesse
Er habe auch das Kennzeichen des Wagens gefilmt, schrieb der Augenzeuge der Polizei am Sonntagabend. "Die gesamte Hochzeitsgesellschaft hat knapp zehn Minuten die gesamte Kreuzung Hardenbergstraße, Ecke Joachimsthaler blockiert", schrieb er. Doch das Social-Media-Team der Polizei wies den Mann ab, er müsse Strafanzeige über die Internetwache oder beim nächsten Polizeiabschnitt stellen.
Der Mann wollte gerade zu seinem Wagen in der Straße Hardenbergplatz, als er anhaltendes Hupen aus dem Kreuzungsbereich hörte. An der Kreuzung dann, es sei 16.45 Uhr gewesen, wurde er, wie so viele Umstehende, Zeuge der irren Szene: „Mehrere Autos blockierten die gesamte Kreuzung und ein Wagen driftete in mehreren Runden auf der Kreuzung. Das war eindeutig eine Hochzeitsgesellschaft, die Braut habe ich deutlich im Auto sitzen sehen“, berichtet der Mann.
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Der Zeuge stammt nach eigenen Angaben selbst aus der Türkei, will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Weil ich gemerkt habe, wie kritisch die Situation ist, habe ich mit meinem Handy gefilmt“, sagt er. Auch das Kennzeichen des driftenden Wagens ist in seinem Video deutlich zu erkennen.
Dem Polizisten soll der Vorfall egal gewesen sein
Noch bevor die Kreuzung wieder frei gewesen sei, habe er sich auf den Weg zurück zu seinem Auto gemacht, als er am Hardenbergplatz einen Polizeimannschaftswagen sah, an dessen Steuer ein Polizist saß. "Ich zeigte dem Polizist das Video durch die Fensterscheibe und fragte ihn, ob er nicht etwas unternehmen oder das Kennzeichen aufschreiben wolle", erzählt der Augenzeuge, "aber der Polizist hat nur mit den Schultern gezuckt".
Sollte die Aussage des Zeugen stimmen, hätte der Polizist die Szene aber ohnehin an diesem Standort zumindest hören müssen, unter Umständen konnte er sie sogar sehen. Eine Anzeige des Augenzeugen wollte er jedoch nicht aufnehmen und hat auch selbst keine Anzeige erstattet. Zu den Vorwürfen wollte sich die Polizei am Donnerstagmittag nicht äußern.
"Ich schäme mich in Grund und Boden"
Ob und in welchem Maße es sich bei den Rasern auf der Kreuzung um eine Straftat handelt, sei bislang Gegenstand der Ermittlungen, sagte die Polizei. Das Mindeste, was den Fahrern vorgeworfen werden könne, sei Verkehrsbehinderung, heißt es bei der Polizei.
Ob auch eine Straftat, also Verkehrsgefährdung, nachgewiesen werden kann, müsse nun geklärt werden. Der Augenzeuge berichtet, die gesamte Szene habe etwa zehn Minuten gedauert, ein Mann habe eine Türkeiflagge geschwenkt, ein anderer habe auf einem Autodach getanzt, viele weitere hätten mit Hupen und Rufen das Schauspiel angefeuert.
„Ich schäme mich in Grund und Boden“, erzählt der Mann. Er selbst habe türkische Wurzeln, doch in der Türkei würde so ein Verhalten nie an den Tag gelegt. „Ich verstehe nicht, wieso es sich diese Menschen einfach herausnehmen, so gefährlich und aggressiv in der Straßenlandschaft aufzutreten.“ Etwas vergleichbares habe er noch nie gesehen.
Im April 2019 gab es in Spandau Aufregung um eine Hochzeitsgesellschaft, die ihre Autos auf dem Altstädter Ring quer über fünf Fahrspuren parkte, BVG-Busse blockierte und die ganze Straße mitten im Berufsverkehr versperrte. Lesen Sie hier die Geschichte aus dem Spandau-Newsletter.