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Gedenken an Burak B.: Der Zug wurde von einer Gruppe von Kindern angeführt.
© Jörn Hasselmann

Tatort Rudow: Trauermarsch zum Gedenken an Burak Bektas

Vor zwei Jahren wurde der Neuköllner Burak B. auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen - der Täter ist bis heute nicht gefunden. Bei der Gedenkdemonstration kritisieren die Redner die Arbeit der Ermittler.

Es ist alles noch in ihr, der Schmerz und die Fassungslosigkeit, genau wie an dem Morgen, als sie erfuhr, dass ihr Sohn ermordet worden war. Melek Bektas, die Mutter des vor genau zwei Jahren erschossenen, damals 22 Jahre alten Burak Bektas, macht heute den Eindruck einer Frau mit gebrochenem Herzen. Sie spricht über Burak, über die Schüsse auf ihn, für die es kein erkennbares Motiv gab, und schon steigen ihr die Tränen wieder in die Augen. Sie spricht trotzdem über den Mord an ihrem ältesten Sohn, weil sie will, dass dieser Mord geklärt wird. Am Donnerstag, dem 5. April 2012, saß Burak Bektas mit vier Freunden kurz nach Mitternacht vor dem Haus Rudower Straße 51 auf dem Gehweg. Er war beim Sport gewesen – Wing Tsun ist ein Kampfsport mit stark defensiver Ausrichtung, keiner, bei dem es ums Prügeln geht. Die jungen Männer unterhielten sich, als gegen 1.15 Uhr ein Unbekannter an die Gruppe herantrat, ein Mann mit Kapuzenjacke. Wortlos feuerte er aus seiner Waffe, verletzte drei der fünf Jungen schwer. Burak starb wenige Minuten nach den Schüssen, zwei Freunde erlitten schwerste Verletzungen und waren einige Zeit in Lebensgefahr. Der Schütze flüchtete in Richtung Möwenweg. Als der Fall wider Erwarten nicht gleich aufgeklärt wurde, gediehen die Gerüchte. War der Schütze ein Neonazi, ein Ausländerhasser? Alle fünf Jugendlichen stammen schließlich aus Migrantenfamilien. Die Polizei schließt das bis heute nicht aus, wie nichts in diesem Fall. Die Schüsse fielen ein halbes Jahr, nachdem die Mordserie des NSU endlich aufgedeckt worden war.

Die Beschreibung des Täters ist dürftig, sie könnte auf jeden dritten Berliner zutreffen: etwa 1,70 bis 1,80 Meter groß und 40 bis 60 Jahre alt. Für ein Phantombild reichten die Angaben der Überlebenden nicht. Die schnell ausgesetzte, sehr hohe Belohnung von 15 000 Euro brachte auch kein Licht ins Dunkel, ebenso nicht die Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“.

War es ein Spinner oder Querulant, der sich über die Jugendlichen ärgerte? Doch Querulanten sind in der Nachbarschaft immer bekannt. Also fragten sich die Ermittler durch die Umgebung, um Hinweise auf Verrückte oder Querulanten zu bekommen – erfolglos. Auch Hinweise auf eine Beziehungstat gab es nicht – oder auf ein Motiv in kriminellen Zusammenhängen. Keiner der fünf jungen Männer war kriminell. Burak absolvierte eine Ausbildung bei einem Autohändler in Reinickendorf. „Sein Hobby war sein Auto und sein Sport“, sagt Melek Bektas. Burak sei ein fröhlicher Junge gewesen, sagt sie – und keiner von der Art, der seine türkische Herkunft besonders herausgestellt habe. Das ist es, was Melek Bektas so fertig macht, dass sie ihre Arbeit als Altenpflegerin aufgeben musste – dass sie nicht weiß, warum ihr Sohn sterben musste. Nie habe ihre Familie vorher Ausländerfeindlichkeit erfahren, erzählt die kleine Frau mit den traurigen Augen, weder Burak noch dessen Bruder oder die Schwester oder ihr Mann. Die Familie lebt in Rudow, bewohnt eine Doppelhaushälfte in einer Siedlung mit vielen mittelständischen Häusern, und die Bektas sind nicht die einzigen Türken in der Gegend. Bis zu den tödlichen Schüssen auf Burak hätte die ganze Familie als ein Beispiel gelungener Integration dienen können.

Ob der Mord jemals geklärt wird, ist völlig offen. Der Leiter der 6. Mordkommission, Bernhard Jaß, sagt dazu: „Wir haben keinen Täter und keine Spur zu einem Verdächtigen.“ Anders als bei anderen Fällen hätten die Ermittler keine „Idee zum Motiv“. 127 Hinweisen sei man nachgegangen, keiner habe die Ermittler weitergebracht. Die Kollegen auf den Polizeiabschnitten, insbesondere in der zuständigen Direktion, seien besonders aufmerksam und meldeten alles, was von Bedeutung sein könnte. Auch zum Motiv Ausländerhass hätten die Ermittler „keine Erkenntnisse“, sagt Jaß. Dass dies für die Familie unbefriedigend ist, wissen die Ermittler.

Die 200 Demonstranten, die am Sonnabend zur Erinnerung an Burak durch Neukölln zogen, kritisierten die Arbeit der Polizei. Diese habe nichts aus dem Versagen bei den NSU-Morden gelernt. „War Rassismus wieder das Motiv?“, fragt sich die Initiative, die das Gedenken organisiert. Auf Plakaten steht: „Es gibt keine Erklärung, aber viele Fragen. "Dass die Polizei „in alle Richtungen ermittelt“, das ist den Menschen in der Demo zu wenig.

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